1000 Österreicher werden vermisst
Von Birgit Seiser
1000 Menschen sind in Österreich zurzeit nicht auffindbar. Die Zahl ist ein Durchschnittswert, denn ständig melden Angehörige neue Vermisstenfälle, andere Personen werden hingegen wieder gefunden. Ein Fünftel der Abhängigen sind Kinder oder Jugendliche.
Jedes der Schicksale ist einzigartig, gemeinsam haben sie aber alle die Angehörigen, die die Hoffnung über Jahre hinweg nicht aufgeben. Selbst dann nicht, wenn die Chance auf ein Wiedersehen noch so gering sein mag, wie im Fall von Maximilian Baumgartner und Andreas Leitner. "Wir suchen weiter und werden nicht aufhören, bis wir wissen, was passiert ist", sagt Monika Baumgartner. Ihr Bruder wird seit 12. September 2015 vermisst. Das Verschwinden war mysteriös. Zuletzt gesehen wurde Maximilian, als er und sein guter Freund Andreas Leitner in seinem Auto unterwegs waren.
Kein Lebenszeichen
Die beiden damals 27-Jährigen fuhren am besagten Tag im September aus ihrem Heimatort Zwettl an der Rodl (OÖ) in Richtung Tschechien. Seither gab es keine Kontobewegungen, Baumgartners Handy wurde abgeschaltet. Seinen Reisepass ließ der junge Mann ebenfalls zu Hause. Andreas Leitner nahm nicht einmal sein Mobiltelefon mit. Als Leitners Mutter ihn vor dem Verlassen der Wohnung fragte, ob er Geld brauche, verneinte der junge Mann. Er wolle nur bei Baumgartner mit gemeinsamen Freunden einen gemütlichen Abend verbringen. Das geschah auch, die Bekannten machten sich gegen Mitternacht auf den Heimweg. Zu diesem Zeitpunkt machten die Vermissten keinerlei Andeutungen, noch einmal wegfahren zu wollen.
Den Ermittlern gibt das plötzliche Verschwinden Rätsel auf. Beide Männer hatten bis zum Zeitpunkt ihres Verschwindens keine nennenswerten privaten oder beruflichen Probleme. Nichts ließ darauf schließen, dass sie sich einfach aus dem Staub machen wollten.
Dass sie Richtung Tschechien unterwegs waren, beweist nur ein Bild aus einer Kamera, bei einem Kreisverkehr in Bad Leonfelden, beim Grenzübergang Weigetschlag. Dort wurde der silbergraue Citroën um 2.30 Uhr fotografiert. Eine Suche per Helikopter in dem Gebiet brachte keine Hinweise.
"Unser Leben muss irgendwie weitergehen. Aber wir treffen uns regelmäßig mit der Familie von Andi und sprechen miteinander", sagt Baumgartners Schwester Monika. "Das Schlimmste für uns wäre aber, wenn es in Vergessenheit gerät." Um das zu verhindern, lassen die Familien nichts unversucht. Der mysteriöse Fall hat es nun sogar in die ZDF-Sendung "Aktenzeichen XY" geschafft und wird bald auch in Deutschland ausgestrahlt.
Schwer zu ertragen
Natürlich wünschen sich die Familien, ihre Lieben wieder in die Arme schließen zu können. Obwohl für Kriminalisten in dem Fall alles auf ein Verbrechen hindeutet, gibt die Aufklärungsquote von 95,4 Prozent Hoffnung. "Mittlerweile ist es mir einfach wichtig zu wissen was passiert ist, selbst wenn es schlechte Nachrichten sind. Es ist einfach unerklärlich, wie er verschwinden konnte. Die Ungewissheit ist wirklich schwer zu ertragen", sagt Monika Baumgartner.
Ebenso geht es den Angehörigen der vielen anderen Vermissten (siehe Bild). Das Bundeskriminalamt bittet um Hinweise unter: 01 24 836 985025. Werden Kinder oder Jugendliche vermisst, gibt es die europaweite Hotline: 116 000.
Der 25. Mai ist der Gedenktag für alle Kinder, die vermisst werden. Die Online-Plattform "Österreich findet euch" veranstaltet jedes Jahr eine Wanderung, um auf diesen Tag aufmerksam zu machen. Zwölf Kilometer Strecke legten die 20 Teilnehmer am Donnerstag in Mauerbach zurück. "Wir wollen die Gelegenheit nutzen, um uns kennenzulernen, auszutauschen und gemeinsam auf die Schicksale vermisster Menschen aufmerksam machen. Unser Gedenken schließt dabei auch alle anderen Menschen ein, die abgängig sind und wo Freunde und Angehörige auf Rückkehr hoffen", sagt Organisator Clemens Liehr.
Die Suche nach Vermissten ist den Verantwortlichen im Bundeskriminalamt ein besonderes Anliegen.
Österreich ist in diesem Bereich Vorreiter in der EU: Vor knapp drei Jahren wurde das Kompetenzzentrum für abgängige Personen (KAP) geschaffen. Es unterstützt die Ermittler in Abgängigkeitsfällen als zentrales Datenregister und gilt mittlerweile als internationale und nationale Drehscheibe.
"Österreich findet euch" ist für die Behörden ein wichtiger Bestandteil der Suche: "Wir arbeiten eng mit dem Bundeskriminalamt zusammen. Dinge, die sie nicht machen, wie Facebook-Postings über Vermisste, übernehmen eben wir", erklärt Liehr.