Kärnten: 100 Tage neue Spielregeln in der Regierung
Von Thomas Martinz
100 Tage – so lange dauert jene Frist, die üblicherweise einer neuen Regierung zugebilligt wird, um sich einzuarbeiten und erste Erfolge vorzuweisen. Dann zieht sie Bilanz. Und erntet Kritik.
Erstmals in der Politgeschichte Kärntens kann diese nach der Abschaffung des Proporzsystems nun von der Opposition kommen. Der KURIER nimmt die neue Rollenverteilung zum Anlass und lässt bewusst auch die Opposition Bilanz ziehen. Das Anforderungsprofil: FPÖ und Team Kärnten mögen jeweils (höchstens) drei Kritikpunkte zu Rot-Türkis nennen, der Fairness halber müsse jedoch auch (mindestens) ein positiver Aspekt hervorgestrichen werden:
FPÖ Die Freiheitlichen nutzen die Möglichkeit der Analyse, um gleich in zwei Punkten Attacken gegen Landeshauptmann Peter Kaiser ( SPÖ) zu reiten. „Wichtige Positionen im Land werden ohne Ausschreibung an rote Parteigänger vergeben. Außerdem missbrauchen die SPÖ und Kaiser Kärnten für die rote Propaganda gegen die türkis-blaue Bundesregierung und handeln zum Nachteil der Kärntner Bevölkerung“, bekrittelt FPÖ-Obmann Gernot Darmann. Weiters vermisst er von der Koalition Maßnahmen für Kärnten – bei der Arbeitskräfteausbildung, der 24-Stunden-Betreuung und bei der ärztlichen Versorgung im ländlichen Raum.
Anerkennend erwähnt Darmann, dass „nach Jahren des Schlafens“ endlich die Teilprivatisierung des Klagenfurter Flughafens in die Wege geleitet worden sei.
Team Kärnten Parteichef Gerhard Köfer erwähnt als ersten Kritikpunkt das Drogenproblem. Wie berichtet, sind heuer zehn Menschen gestorben. „Kärnten entwickelt sich zum Drogenumschlagplatz Österreichs. Es fehlen Therapieplätze und eine eigene Drogenstation.“ Köfer ortet in Sachen Budget „in der Nettoneuverschuldung von 44 Millionen Euro einen Schuldenrucksack, der zukünftigen Generationen überlassen wird.“ Die Wahlversprechen sieht er bei ÖVP und SPÖ gebrochen: einerseits sei aus der angekündigten Infrastrukturmilliarde nichts geworden und die elternbeitragsfreie Kinderbetreuung sei eine halbe Sache, die nicht einmal ausfinanziert sei.
Das Team Kärnten begrüßt indes die Digitalisierungsoffensive des Landes. „Allerdings hätten 2018 durchaus mehr als lediglich neun Millionen Euro in den Breitbandausbau fließen können“, sagt Köfer.
SPÖ/ÖVP Ausschließlich positiv ist naturgemäß die Bilanz der Regierung selbst. Im Gegensatz zum Rückblick anlässlich der Zäsur nach 60 Tagen, die Kaiser alleine gezogen und kommentiert hatte, trat er am Freitag gemeinsam mit ÖVP-Chef Martin Gruber vor die Presse. Beide betonten ihre „Kooperation auf Augenhöhe“, strichen den Aufschwung Kärntens hervor. Und sie nannten als Beispiele dafür positive Arbeitsmarkt- und Wirtschaftszahlen, die Milliardeninvestitionen des Chip-Herstellers Infineon in Villach, das Upgrade Kärntens durch die Ratingagentur Moody’s, Weichenstellungen in den Bereichen Pflege, Soziales und Forschung, Außerdem führten sie die Straßenbauoffensive, Steigerungen am Tourismussektor, Investitionen im landwirtschaftlichen Bereich und die Einrichtung des Wildschadensfonds an.
Kopfzerbrechen bereitet die Abwanderung der Kärntner in andere Bundesländer. Da gelte es, Gegenstrategien zu entwickeln.