Chronik/Oberösterreich

Plaudertaschen und Welterklärer in voller Fahrt

Ich fahre nicht sehr oft mit dem Taxi. Aber wenn, dann ist es immer ein Erlebnis, alltagssoziologisch betrachtet. Denn ich habe bemerkt, dass es verschiedene Typologien an Taxifahrerinnen und -fahrern gibt.

Sie quatschen sich das Leben aus dem Leib, als hätten sie die vergangenen 471 Tage ohne menschlichen Kontakt in einem Schweigekloster verbracht. Ich nenne sie die Plaudertaschen. Ob man an eine geraten ist, merkt man, sobald sich die Tür schließt, dann geht es los. Und hört nicht mehr auf, bis die Fahrt zu Ende ist. Dabei gibt es Nuancen: Jene, die einfach Smalltalk betreiben, um höflich zu sein, oder weil sie keine Stille aushalten. Oder jene, die wirklich was auf dem Herzen haben. Beides legitim, beides anstrengend, wenn es spät ist und man schnell ins Bett will.

Keine Freunde gesucht

Süß sind die, die sehr viele Fragen stellen, die sie sich gerne selbst beantworten. Und einem am Ende der Fahrt das Gefühl geben, dass wir einander so richtig gut kennengelernt haben. So gut, dass unterschwellig eine Adoption im Raum steht. Danke, aber ich habe schon Eltern. Und beste Freunde auch.

Manche nutzen den fahrenden Käfig ohne Fluchtweg auch dazu, ihre Theorien über das Leben, die Liebe, Polit-Performances, den Klopapierverbrauch pro Kopf oder die gesellschaftlichen Entwicklungen in der Inneren Mongolei zum Besten zu geben. Nach dem Motto: Du sitzt in meinem Auto, also hörst du mir jetzt gefälligst zu!

Am liebsten fahre ich mit denen, die Begrüßung und Verabschiedung freundlich abwickeln, sich dann für den Rest der Fahrt auf den Verkehr und ihr eigenes Seelenheil konzentrieren. Stille ist eine unterschätzte Wohltat. Nicht nur, aber auch im Taxi.

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