Chronik/Oberösterreich

"Sehe mich nicht als Rebellin"

SPÖ-Abgeordnete Daniela Holzinger nimmt sich kein Blatt vor den Mund – auch nicht gegenüber Parteigenossen. Die erst 26-jährige Politikwissenschaftlerin kämpft für soziale Gleichheit und sieht sich als Sprachrohr des Volkes. Sie lebt in Gampern (Bezirk Vöcklabruck) gemeinsam mit ihrem Lebensgefährten Markus Vogtenhuber, der auch ihr Pressesprecher ist.

KURIER: Wie sehen Sie die Verschärfung der Bettlergesetze in Oberösterreich?

Daniela Holzinger:Ich bin der Meinung, dass wir in Linz, von wo das Ganze ausgegangen ist, nicht das große Problem mit Bettelei haben. Es gibt aber sehr wohl Probleme in den Landgemeinden. Auch in meiner Heimatgemeinde hört man, dass schon mal ein ganzer Bus kommt. Ich verurteile organisierte Bettelei. Auf der anderen Seite ist es ein Grundrecht, dass Menschen betteln gehen dürfen.

Also unterstützen Sie das neue Gesetz oder nicht?

Das ist ein Landtagsbeschluss, da kann ich mich nicht einmischen. Würde das ein Bundesthema sein, würde ich mich intensiver damit beschäftigen.

Auf ihrer Homepage steht, dass soziale Ungleichheit am Kitt unserer Gesellschaft nagt. Wie groß ist das Problem?

Sehr groß. Das ist der Grund, warum ich mich engagiere. Eine Studie der Johannes-Kepler-Universität zeigt, dass die reichsten 37.000 Haushalte – was einem Prozent der Bevölkerung entspricht – 470 Milliarden € Nettovermögen besitzen. Die könnten alle Staatsschulden zahlen und haben noch immer 240 Milliarden €. Zudem haben wir seit vergangenem Jahr 4500 zusätzliche Millionäre. Andererseits steigt die Anzahl der Mindestsicherungsempfänger. Wenn ich Geld für mich arbeiten lasse, zahle ich nur 25 Prozent Kapitalertragsteuer. Wenn ich hackeln gehe, zahle ich mindesten 36 Prozent. Das ist ungerecht. Bei der kalten Progression passiert es, dass manche eine Lohnerhöhung kriegen und es bleibt ihnen nicht mehr, als sie vorher gehabt haben. Da muss mittels einer Vermögenssteuer etwas umgestaltet werden.

Wie sollte eine Vermögenssteuer ausschauen?

Wir diskutieren verschiedene Modelle. Bei einem schaut man sich zum Beispiel nur das Finanzvermögen an. Beim anderen sollen Bürger sich selbst bewerten, wie viel Vermögen sie besitzen.

Sollte der Staat in die Vermögensverhältnisse der Bürger hineinschauen dürfen?

Nein, auf freiwilliger Basis. Der Staat sollte nicht reinschauen. In der Schweiz funktioniert das System mit der Selbstbewertung grundsätzlich.

Was ist mit teuren Autos? Teuren Wohnungen?

Da müsste ich jetzt unseren Finanzsprecher fragen, was jetzt aktuell diskutiert wird. Aber natürlich könnte ich sagen, was ich gerne hätte.

Was hätten Sie denn gerne?

Das Haus, das ich wirklich besitze, ist ausgenommen. Aber ich weiß sehr wohl, was meine Zweitimmobilie oder meine Liegenschaften wert sind. Ferienhäuser, Grundstücke – das betrifft ja nicht die Masse, sondern nur 80.000 Leute in Österreich. Danach schauen wir uns das Finanzvermögen an und könnten dieses beispielsweise nach einer Million mit 0,5 Prozent besteuern. Das sind 5000 Euro, das verkraftet man. Da kommen aber insgesamt Summen zusammen, dass man nachher den Lohnsteuersatz auf 25 Prozent senken kann. Diese Umverteilung würden die Leute spüren. Es geht um den Grundsatz, will ich es oder will ich es nicht. Will ich, dass einer, der mehr Geld hat, mehr beiträgt, oder will ich es nicht.

Es könnte der Mittelstand oder auch klein- und mittlere Betriebe geschröpft werden.

Nein, denn es wird Lösungen für Betriebe geben. Das Kapital, mit dem man arbeitet, muss auch ausgenommen sein. Das ist das Problem, das man mit der letzten Vermögenssteuer gehabt hat. Es geht ja um Finanzvermögen, um Leute, die Millionen am Konto haben.

Seitdem Sie als einzige Abgeordnete einer Koalitionspartei für den Hypo-Untersuchungsausschuss gestimmt haben, gelten Sie als rote Rebellin. Sehen Sie sich als Nachfolgerin von Sonja Ablinger?

Ich sehe mich überhaupt nicht als Rebellin. Ich beschäftige mich mit einem Thema und schaue, ob es der breiten Bevölkerung gegenüber gerechtfertigt ist oder nicht. Und wenn ich merke, dass wir jetzt von der FPÖ an die Wand gestellt werden, weil wir uns dem Untersuchungsausschuss verweigern, dann müssen wir uns doch dahingehend positionieren, das wir das Schlamassel in Kärnten aufklären wollen. Aber gerade jetzt tut sich etwas in der Angelegenheit, da fühle ich mich bestätigt. Eine Rebellion wäre, wenn ich sagen würde, wir verstaatlichen alle Banken oder wir enteignen alle Millionäre.

Sie haben einen Brief an Landeshauptmann Josef Pühringer geschrieben, in dem Sie von Lohnraub in der Energie-AG-Tochter AVE sprechen. Danach hagelte es Kritik. Bereuen Sie das?

Nein, ich bereue ihn nicht, er hat zu hundert Prozent inhaltlich gestimmt. Da reden wir von Leuten, die haben 1200 Euro netto für eine Nachtschicht bei der Sortieranlage. Die müssen über die nächsten drei Jahre auf rund 50 Euro pro Monat verzichten. Sonst werden sie per 31. September gekündigt. Auf der einen Seite steht das Land Oberösterreich, das mehr Dividende will. Die Gemeinden müssen in der Abfallwirtschaft den Billigstanbieter nehmen, was einen enormen Preisdruck erzeugt. Es sollte aber der Bestanbieter genommen werden. Sozialstandards, Arbeitszeiten-Einhaltung, Umweltstandards – das müssten die Kriterien sein.

Aber auch Ihr Parteikollege Entholzer hat Ihnen mangelndes Fingerspitzengefühl attestiert.

Das ist seine Einschätzung. Mir ist es egal, ob das als mangelndes Fingerspitzengefühl tituliert wird. Für mich ist es nicht rechtens, was da gerade passiert. Aber es hat vergangene Woche recht nette Gespräche mit Entholzer gegeben. Aber ehrlich gesagt, will ich als Abgeordnete nicht fragen müssen, ob ich was tun darf oder nicht. Ich habe mich mit dem zuständigen Betriebsrat abgesprochen, sonst werde ich hier keinen um Erlaubnis fragen. Der Brief ist in meinem Namen geschrieben worden, nicht im Namen der SPÖ.

Lösung?

Nicht runter mit den Löhnen, sondern rauf mit den Kollektivverträgen für alle.

Sie sind eine Kapitalismuskritikerin und stehen klar links.

Auf alle Fälle. Was Kapitalismus und Geld mit Menschen macht, da kommt das Schrecklichste aus einem raus. Innerhalb der Sozialdemokratie ordne ich mich links ein. In der Koalition mit der ÖVP zieht es sich in Richtung Mitte, dadurch verlieren wir extrem viel Zuspruch an der Basis.

Wo hapert es denn bei der Großen Koalition?

Das Problem ist, dass wir konträre Meinungen haben. Die ÖVP ist genau das Gegenteil von uns. Aber fast alle finden, dass Arbeit zu hoch besteuert ist und Vermögen zu wenig. Der Einzige, der in dieser Republik noch auf der Bremse steht, ist Finanzminister Spindelegger. Das ist die einzige Person. Auch seine Partei ist dafür, dass man die Arbeitseinkommen entlastet. Aber da geht es um einen Gesichtsverlust, weil er sich seit Jahren wehrt, dass er das nicht will. Wenn er jetzt nachgibt, wäre das ein Eingeständnis.

Wird Ihre doch energische Gangart in Zukunft behutsamer?

Das politische Spiel lernt man erst mit der Zeit. Natürlich lernt man auch, Dinge anders zu formulieren. Beispielsweise sind wir damals auf Gemeindeebene von der ÖVP verklagt worden, wegen zwei Wörtern, die man nicht hätte verwenden dürfen. An so etwas denkt man normalerweise nicht.