Chronik/Oberösterreich

"Große Koalition schadet der SPÖ"

Fiona Kaiser (25), aufgewachsen im Bezirk Rohrbach und studierte Sozialarbeiterin, ist seit 2011 Landesvorsitzende der Sozialistischen Jugend (SJ) und stellvertretende Landeschefin der SPÖ Oberösterreich.

KURIER: Die Umfragen verheißen der SPÖ am 27. September nichts Gutes. Die Partei dürfte hinter die FPÖ auf Platz drei zurückfallen. Kann man das Ruder noch herumreißen?

Fiona Kaiser: Ich glaube, das wird extrem schwierig. Ganz wichtig wäre eine eindeutige Haltung im Bereich Asyl, da wird zu viel herumgewurschtelt. Wir haben in Oberösterreich viele Dinge gut gemacht, aber wir reden zu wenig darüber, weil das angeblich der FPÖ hilft. Das ist ein Fehler. Außerdem müsste es eine viel klarere Kampfansage an die ÖVP geben. Die SPÖ sollte aufzeigen, was schiefläuft. Man müsste auch Landeshauptmann Pühringer frontal kritisieren. Das wäre wichtig, damit die SPÖ an Profil gewinnt.

Wo sehen Sie denn Angriffsfläche beim Landeshauptmann?

In den Bereichen, wo es in den vergangenen Monaten Konflikte gab. Im Gesundheits- und Sozialbereich, wo gekürzt wird und wo probiert wird, es unserer Landesrätin Gertraud Jahn umzuhängen, obwohl sie zu wenig Budget hat, für das ja der Landeshauptmann zuständig ist. In diesen Bereichen bräuchte es dringend mehr Geld. Die SPÖ hätte sich viel früher auf die Seite der Betroffenen stellen müssen.

Das Gehaltspaket für den Pflegebereich verkauft der Landeshauptmann als seinen Erfolg.

Das kann der Landeshauptmann sehr gut. Damit macht er sich in der Öffentlichkeit unangreifbar. Es gibt aber viele Punkte, wo man ansetzen kann, wo man sagen kann, da sind die Schwarzen schuld, dass nichts oder viel zu wenig passiert.

Ist Reinhold Entholzer dafür der richtige Landesparteichef?

Es ist der falsche Zeitpunkt, jetzt die Frage zu stellen, ob er der Richtige ist. Darüber können wir nach der Wahl reden. Grundsätzlich geht es mir mehr um Inhalte als um Personen. Aber auch Reinhold Entholzer müsste mehr Diskussionen zulassen.

Wie geht es Ihnen mit Werner Faymann als Bundesparteichef?

Er ist das Produkt einer Parteistruktur, mit der unter anderem auch ich zu kämpfen habe. Mit einem sehr geschlossenen, nach oben auf ganz wenige Personen zugespitzten Entscheidungsapparat, der zum Teil die Vorstandssitzungen der Partei völlig irrelevant macht. Mich stört auch der Kurs der vergangenen Jahre, neoliberale Rezepte wie einen Fiskalpakt oder eine Schuldenbremse mitzubeschließen. Mit fehlt kein klarer Kurs im Asylbereich. Was man sehr oft von der Basis hört, ist, dass die Politik der Bundespartei schadet. Es gibt eine große Unzufriedenheit, die sich an die Inhalte und an die Person an der Spitze knüpft. Ich glaube aber, dass Personen auszuwechseln nicht viel bringt. Man muss die Strukturen ändern.

Nach dem rot-blauen Koalitionspakt im Burgenland wurden auch in der SPÖ Oberösterreich Stimmen laut, die FPÖ nicht mehr auszugrenzen. Sie haben das stets abgelehnt.

In der Partei wurde sehr unglücklich argumentiert, es war ein Zickzack-Kurs. Mittlerweile ist die Position ein Stück geschärft. Es gibt keine Koalition mit der FPÖ und die SPÖ wird sich von der FPÖ auch nicht zum Landeshauptmann wählen lassen.

Worauf führen Sie das aktuelle Hoch der FPÖ zurück?

Eine starke FPÖ gibt es nur wegen einer sehr schwachen SPÖ, die verlernt hat, wie man Politik mit und für Menschen macht, gerade für die Arbeiter. Die Interessenvertretungsarbeit wurde aufgegeben. Wenn es zum Beispiel zu Lohnkürzungen oder schlechten Abschlüssen kommt, muss die SPÖ die Erste sein, die auf der Straße steht und mit den Leuten kämpft. Das macht sie seit Ewigkeiten nicht mehr. Diese Koalitionspolitik mit der ÖVP, in der wir in der Rolle sind, Kompromisse als eigene Erfolge zu verkaufen, ist der total falsche Weg. Die Leute sagen: Das ist eh alles eines. Da wähle ich lieber die, die sich am ehesten um meine Sorgen annehmen, auch wenn das gar nicht stimmt. Die SPÖ hat in ihrer Koalitionskuschelei mit der ÖVP vergessen, was sie eigentlich will. Kompromisse müssen als Erfolg verkauft werden, obwohl man etwas ganz anderes wollte. Die Koalition mit der ÖVP verwässert die Politik der SPÖ total.

Es gibt für die SPÖ keine wirkliche Alternative, als mit der ÖVP zusammenzuarbeiten.

Doch, alles was in Richtung Opposition geht oder in Richtung freies Spiel der Kräfte. Aber das wird von vielen in der SPÖ kategorisch ausgeschlossen, weil sie natürlich an ihrer Macht hängen und an ihren Sesseln kleben. Der Preis dafür ist, dass die Partei Stück für Stück den Bach runtergeht.

Sie glauben, dass die SPÖ in der Opposition zu sich selbst zurückfinden könnte.

Das ist auf jeden Fall eine Chance. Die Frage ist, ob es funktioniert.

Hat es unter Alfred Gusenbauer während der schwarz-blauen Regierung funktioniert?

Bis zu einem gewissen Grad schon. In der Opposition kann man eine viel klarere Linie fahren.

Das hieße Schwarz-Blau. Dagegen sind Sie doch auch.

Natürlich. Aber wenn es so weitergeht, wird es die SPÖ irgendwann nicht mehr geben. Weil sie nicht mehr notwendig ist für die Politik, weil sie nichts durchsetzt.

Wie beurteilen Sie die Verhandlungen der Eurogruppe mit Griechenland?

Man kann da durchaus von Erpressung sprechen. Hier wird Verarmungspolitik auf höchstem Level angeordnet.

In linken Medien steht immer wieder, dass die Banken schuld sind an der Misere der Griechen. Macht man es sich da nicht viel zu einfach?

In Griechenland ist schon einiges schiefgelaufen, man denke an die Korruption. Aber die Sparauflagen sind von der EU gekommen, damit Griechenland Geld bekommt. So etwas zu machen, heißt, dass man auf die Leute pfeift. Viele haben keine Krankenversicherung mehr. Da wurden menschliche Tragöden produziert.

Für die EU ist das Sparen, die Austeritätspolitik, ein Dogma.

Die EU ist nicht gegründet worden, um die Interessen der Arbeitenden durchzusetzen, sondern die Interessen der Herrschenden.

Da werden Ihnen Bewegungen wie Syriza oder Podemos in Spanien gefallen.

Grundsätzlich schon. Beide Bewegungen kommen aus der Bevölkerung. Syriza ist entstanden, weil die Sozialdemokratie gescheitert ist.

Welche Lösung wünschen Sie sich für Griechenland?

Einen Schuldenschnitt.

Zurück nach Oberösterreich. Bis Ende Juli will die Landesregierung die Zeltlager für Flüchtlinge abbauen.

Es ist wichtig, dass die Zelte wegkommen, auch wegen der Symbolkraft.Turnsäle anzufüllen ist aber auch nur eine Notlösung. Ich unterstelle dem Innenministerium, dass die Zeltlager aus Kalkül errichtet wurden.

Wenn es politisches Kalkül war, ist der Schuss aber für die ÖVP nach hinten losgegangen.

Ja, aber der ÖVP schadet die Stimmung, die durch die Zelte entstanden ist, viel weniger als der SPÖ.

Sie sind 25. Was wollen Sie in der SPÖ noch werden?

Es war nie mein Ziel, etwas in der SPÖ zu werden. Ich habe eine abgeschlossene Ausbildung. Mir ist es vor allem wichtig, für die Anliegen der SJ einzustehen.

Ist es für Sie denkbar, dass Sie einmal in einer Bewegung links der SPÖ tätig werden?

Das ist grundsätzlich für mich offen. Es kommt darauf an, welchen Weg die SPÖ einschlägt. Ich glaube, dass ein Richtungswechsel dringend notwendig ist. Wenn die SPÖ weiter ihren Anspruch an sozialdemokratische Politik aufgibt, wird auf jeden Fall etwas passieren.