"Ein Django mit großem Herz"
Die Grausamkeit der Traunsee-Morde rückt einen Mann ins Rampenlicht, der einen prominenten Namen trägt: Gottfried Mitterlehner (47), seines Zeichens Chef des Landeskriminalamtes Oberösterreich und der um 13 Jahre jüngere Bruder des ÖVP-Parteichefs und Vizekanzlers Reinhold Mitterlehner (60). Der LKA-Chef und sein Team haben in wenigen Tagen den Mord und Selbstmord, der Gänsehaut-Feeling verbreitet, aufgeklärt. Die Tat lief so ab: Ein 72-Jähriger aus Hessen tötet seine Ehefrau, zerstückelt sie und verpackt sie in drei Koffern. Ihren Kopf betoniert er ein und versenkt die Leichenteile im Traunsee. Anschließend geht er mit einer festgebundenen Tasche voller Steine ins Wasser und ertrinkt.
KURIER: Herr Mitterlehner, in welche Kategorie fällt für Sie die Grausamkeit der beiden Traunsee-Morde?
Gottfried Mitterlehner: Es ist eine ganz außergewöhnliche Tat, die selbst für einen gestandenen Polizisten eine neue Erfahrung ist.
Was macht die Polizei sicher, dass es sich um Mord und Selbstmord handelt und keine dritte Person im Spiel war?
Es ist nicht so, dass wir behaupten, es war so. Wir sagen, dass alle Fakten darauf hindeuten. Es war ein ganz gut geplanter Mord, der dann aus dem Ruder lief. Warum? Entweder weil das Beiseiteschaffen des Leichnams nicht wie geplant funktionierte, oder weil der Ehemann Skrupel bekam. Wir nehmen an, dass der Mann seinen Selbstmord verschleiern wollte und sich deshalb auf die besondere Art mit Gewichten an den Handgelenken ertränkte. So wollte er der Familie die bittere Wahrheit sparen – nämlich dass der Vater die Mutter ermordet hat. In dieser skurrilen Situation wäre das ein logisches Erklärungsmuster.
Was war der eigentliche Plan?
Wahrscheinlich wollte der Ehemann nach Deutschland zurückkehren und die Frau als vermisst melden.
Ist eine zerstückelte Leiche ein Bild, das man nicht aus dem Kopf bekommt?
Natürlich beschäftigen einem solche Bilder längere Zeit. Ich versuche das zu abstrahieren und das Nüchterne in den Vordergrund zu stellen. Das funktioniert natürlich nicht bei allen Fällen. Überall wo Kinder involviert sind, braucht man eine ganz besondere Standfestigkeit.
Sie sind als einziger der sechs Kinder in die Fußstapfen Ihres Vaters getreten und Polizist geworden. Warum?
Mein Vater konnte immer interessante Geschichten aus dem Dienst erzählen. Unser Haus stand stets offen, wenn sich Menschen mit Rechtsstreitigkeiten oder Problemen an meinen Vater wenden wollten. Ein Gendarm am Land diente damals durchaus als Problemlöser. Diese Art der Konfliktlösung hat uns als Kinder geprägt. Dann kam dazu, dass ich nicht wie meine Brüder Jus studieren wollte. Mir war eine rasche Unabhängigkeit wichtig, deswegen habe ich mich für die Gendarmerie entschieden und die Offizierslaufbahn eingeschlagen.
Sie sind LKA-OÖ-Chef, Ihr Bruder Andreas ist Generaldirektor der Hypo OÖ, der älteste Bruder Reinhold ist Vizekanzler, Bruder Thomas Schuldirektor. Angesichts dieser Machtfülle kann man durchaus vom Mitterlehner-Clan sprechen?
Der Begriff Clan hat etwas Negatives. Wir sind eine ganz normale Familie. Der Unterschied zu anderen Familien ist, dass viele von uns mit ihrem Beruf im Blickpunkt der Öffentlichkeit stehen.
Können Sie einen Grund dafür erkennen?
Das ist purer Zufall. Die einzige Parallelität, die sich erkennen lässt, ist der Umstand, dass unsere Berufe einen juristischen, rechtlichen Anteil haben. Uns eint auch, dass wir alle sehr sachlich, nüchtern und analytisch an die Dinge herangehen. Diese Prägung kommt vom Vater. Er hat sich durch eine besondere Sachlichkeit ausgezeichnet, die wir versuchen zu leben.
Sie wurden unter einem ÖVP-Innenminister zum LKA-Chef bestellt. Schwingt da nicht das Vorurteil mit, dass Sie protegiert wurden?
Diese Vorurteile kann man nicht aus der Welt schaffen. Wer es glauben will, soll es glauben. Vor meiner Beförderung war ich zwölf Jahre Personalleiter – also bereits in einer Führungsposition. Außerdem war die Konkurrenz bei meiner Besetzung gar nicht so groß. Aus diesem Grund ist an solchen Vorurteilen nichts dran.
Sie sind 13 Jahre jünger als Ihr Bruder Reinhold. Wie würden Sie ihre Beziehung beschreiben?
Ich würde nicht sagen, dass wir ein besonders enges Verhältnis aufbauen konnten. Das ergab sich einfach durch den großen Altersunterschied. Mein Bruder ist in meiner Erinnerung bald aus dem Familienalltag verschwunden, weil er Studium und Karriere vorangetrieben hat. Da war ich gerade fünf Jahre alt. Aus diesem Grund gibt es bei uns eine gewisse Zweiteilung der familiären Erinnerung. Wir sehen uns zwar oft und tauschen uns aus. Doch es ist nicht jene Enge, dass wir bei privaten Problemen unbedingt den gegenseitigen Rat suchen.
Wer von Ihnen beiden kann besser Tarockieren?
Beim Tarockieren bin ich ein Neuling, weil ich es gerade lerne. Da kann ich mich mit den Erfahrungen meines Bruders nicht messen.
Ihrem Bruder sagt man einen strengen Führungsstil nach. Er verlangt von seinen Mitarbeitern, dass sie stets bestens vorbereitet sind. Wenn er verärgert ist, zeigt er seinen Unmut in einer Portion Sarkasmus. Haben Sie einen ähnlichen Führungsstil?
In Summe gesehen bin ich meinem Bruder nicht unähnlich. Aber ich würde mich als softere Variante sehen. Meinen Führungsstil würde ich als umgänglich bezeichnen. Aber in bestimmten Situation könnte ich auch laut werden.
Ihr Bruder ist als Django bekannt. Was sind die Seiten, die man nicht in der Öffentlichkeit kennt?
Er hat zwar die Bezeichnung Django, aber er besitzt ein großes Herz. Hinter einer rauen Schale befindet sich ein weicher Kern, wo durchaus Platz für Gefühle vorhanden ist.
An welche Momente zwischen Ihnen und Ihrem Bruder erinnern Sie sich besonders gerne?
Mein Bruder hat sich sehr bemüht, mir seine Liebe zum Fußball weiterzugeben. Als ich so elf, zwölf Jahre alt war und er zirka 25 und schon Sekretär bei der Wirtschaftskammer, nahm er mich immer mit zu den LASK-Spielen nach Linz. Daran erinnere ich mich sehr gerne.