Schul- und Unterrichtsqualität in Krisen: Mehr Kooperationen nötig
Bildungsinstitutionen wie Schulen und Universitäten erbringen für die Gesellschaft zentrale Leistungen. So zum Beispiel die Vermittlung von Kompetenzen an die heranwachsende Generation, die für die Teilnahme an der Gesellschaft und deren Weiterentwicklung notwendig sind. Viele Studien haben gezeigt, dass die Qualität des Bildungssystems eine Voraussetzung für den Wohlstand einer Gesellschaft ist.
Vor diesem Hintergrund ist die Frage, was eine gute Schule ist und was guten Unterricht ausmacht, von hoher Bedeutung. Genau mit dieser Frage beschäftigt sich die Bildungsforschung seit mehr als 100 Jahren. Auch an der Johannes Kepler Universität Linz wird dazu an der School of Education seit langem geforscht. Besonders intensiv wurde dabei in den letzten Jahren der Einfluss der Corona-Pandemie untersucht.
Schulschließungen mit negativen Auswirkungen
Die Corona-Pandemie hat das Bildungswesen vor große Herausforderungen gestellt und zu bedeutsamen Veränderungen geführt. Studien haben gezeigt, dass Schulschließungen zu Einbußen in den fachlichen Kompetenzen von Schüler*innen sowie zu einem Rückgang im Wohlbefinden und der Lebenszufriedenheit von Kindern und Jugendlichen geführt haben. Auch die Schere zwischen sozioökonomisch benachteiligten und privilegierten Schüler*innen hat sich vergrößert.
Digitalisierungsschub während der Pandemie
Doch die Pandemie hat auch positive Entwicklungen hervorgebracht, insbesondere einen Boost beim Einsatz digitaler Tools und Medien im Unterricht. Was bislang kaum erforscht wurde, ist die Frage, wie sich die Qualität von Schule und Unterricht durch die Umstellung auf den Distanzunterricht verändert hat. Seit kurzem liegen auch dazu erste Studien vor, unter anderem von der JKU in Zusammenarbeit mit der Pädagogischen Hochschule Zug (Schweiz).
Kooperationen zwischen Lehrern und Eltern
Die Studien zeigen, dass aus Sicht der Lehrkräfte zentrale Aspekte der Schulqualität während der Pandemie relativ stabil geblieben sind. Dies betrifft insbesondere die Zufriedenheit mit der Schule als Ganzes sowie der Kooperation zwischen den Lehrer*innen und die wahrgenommene Führung der Schulleitung.
Zudem hat sich aus Sicht der Lehrkräfte der inklusive und schüler*innenorientierte Unterricht während der Pandemie stärker entwickelt als unter den Bedingungen vor der Pandemie Lehrkräfte berichten außerdem von einem stärkeren Zuwachs an Selbstwirksamkeit im Kollegium.
Anspruchsvollere Aufgaben
Studien aus Deutschland haben den Einfluss der Pandemie auf die Unterrichtsqualität in den Blick genommen. Sie berichten – wenig überraschend –dass aus Sicht der Schüler*innen die Anleitung und Unterstützung im Distanzunterricht deutlich niedriger ausgeprägt waren als im Präsenzunterricht. Dagegen kamen anspruchsvollere Aufgaben häufiger zum Einsatz.
Mehr Feedback
Eine weitere deutsche Studie zeigt zudem, dass Eltern während der Pandemie einen signifikanten Anstieg in der Häufigkeit von Lehrer*innenfeedback, Schüler*innenkontakt sowie den Einsatz digitaler Tools beobachtet haben.
Aus den Studien lassen sich sowohl für die Schule als auch für die Eltern Empfehlungen ableiten. Schulleitungen sollten Rahmenbedingungen schaffen, die Lehrer*innen zur vermehrten Kooperation motivieren. Lehrer*innenkooperation ist eine zentrale Ressource für die Bewältigung von Krisen und neue Herausforderungen (wie beispielsweise der Digitalisierung).
Eltern, insbesondere von jüngeren Kindern, sollten den Kontakt zu den Lehrkräften suchen und sich auch innerhalb der Schule engagieren. Eine konstruktive Lehrer*innen-Eltern-Beziehung erwies sich nicht nur während der Pandemie als besonders förderlich für das Lernen der Kinder.
Auf der Suche nach Qualitätsmerkmalen
Das coronabedingte Distance Learning hat das Unterrichten noch herausfordernder gestaltet. Da Lehren und Lernen ohnehin sehr komplexe und vielschichtige Prozesse darstellen, sind Zusammenhänge zwischen Merkmalen von Schule und Unterricht sowie der fachlichen und sozialen Entwicklung von Schüler*innen nicht einfach zu belegen. Dies gilt für die Pandemie umso mehr.
Gleichzeitig ist Wissen über die Effekte von Schul- und Unterrichtsmerkmale auf das Lernen der Schüler*innen aber notwendig, um überhaupt bestimmen zu können, welche Aspekte von Schule und Unterricht als Qualitätsmerkmale gelten können und letztlich über höhere Schüler*innenkompetenzen zum gesellschaftlichen Wohlstand beitragen.
Daher wird die Schul- und Unterrichtsqualitätsforschung auch weiterhin ein zentrales Anliegen sein - nicht nur der Bildungsforschung, sondern auch unserer Gesellschaft allgemein.
Univ.-Prof. Dr. Christoph Helm ist Professor für Pädagogik an der Johannes Kepler Universität Linz und an der Pädagogischen Hochschule Zug. Er leitet die Linz School of Education der JKU und forscht zu den Themen Schul- und Unterrichtsqualität.