Chronik/Oberösterreich

Im Lentos sind Männer supernackt

Zahlreiche berühmte Gestalten der Kunstgeschichte präsentieren sich  heroisch kämpfend oder leidend ihren Betrachtern im Adamskostüm. Man denke  an  Laokoon oder Michelangelos David. Dennoch moniert das Linzer  Lentos: „Der nackte Mann ist unsichtbar" und hat deshalb eine eigene Ausstellung ins Leben gerufen, die am 26. Oktober ihre Tore öffnet.

„Es war nur in bestimmten Rollen zulässig, sie unbekleidet zu zeigen. Lange  durften lediglich Figuren aus der Mythologie oder Märtyrer  so dargestellt werden", erklärt Stella Rollig, Museums-Direktorin und Mitkuratorin der Schau „Der nackte Mann". „Für das Individuum war es undenkbar." 

Schwäche

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Erst seit etwas mehr als 100 Jahren gibt es in der Bildenden Kunst Werke, worauf sich die Herren  in voller Pracht präsentieren. „Männer durften keine Schwäche zeigen, gerade bei der Entwicklung der bürgerlichen Welt. Es war alles hochgeschlossen, was  Stärke symbolisierte. Nacktheit  stand für Verletzlichkeit", sagt Rollig über den Grund für die  unsichtbaren Nackedeis.

Im Lentos geht man der Frage nach,  wie sich der Mann seit einem Jahrhundert seiner Nacktheit stellt und sich neu erfindet. Viele der ausgestellten Werke kritisieren tradierte Männlichkeitsbildern oder propagieren  neue Lebensentwürfe, etwa die FKK-Bewegung, die im Expressionismus aufgegriffen wurde. „Der Mann ist auch aus seiner Rolle entkleidet", erklärt die Kunstexpertin. „Künstler der Moderne befragen sich selbst und zeigen sich ungeschützt." Das habe auch  mit der Außenseiterrolle zu tun, die die Künstler – nicht ganz  unfreiwillig – einnahmen.  Mehr als 300 Exponate von  Künstlern wie Egon Schiele, Lucian Freud, Erich Heckel, Keith Haring oder Maria Lassnig gibt es  in Linz zu sehen.

Aufregung

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Lange blieb das Thema nackter Mann unentdeckt, bevor nun ein  Hype darum entstanden ist. Denn auch im Wiener Leopold-Museum widmet man sich den Herren der Schöpfung. Anders als in der Hauptstadt, wo die expliziten Werbeplakaten für Empörung sorgten, weil den Passanten das beste Stück der Männer entgegenprangte,  wirbt das Lentos dezent. „Wir haben nie damit spekuliert, das Thema zu skandalisieren."

Außerdem wolle das Museum den männlichen Körper nicht als verfügbares Produkt darstellen, wie das oft beim weiblichen der Fall sei. „Ich finde es kontraproduktiv, wenn man den Spieß  umdreht", sagt Rollig, deren Verhältnis zum Leopold-Museum aktuell nicht ungetrübt ist.Denn als sie bei der Vorbereitung zur Ausstellung dort um Leihgaben  angefragt hatte, kündigte das Wiener Haus auch eine Schau zum Akt an. „Wir werden uns in Zukunft trotzdem  gegenseitig unterstützen."