Im Lentos sind Männer supernackt
Von Daniel Voglhuber
Zahlreiche berühmte Gestalten der Kunstgeschichte präsentieren sich heroisch kämpfend oder leidend ihren Betrachtern im Adamskostüm. Man denke an Laokoon oder Michelangelos David. Dennoch moniert das Linzer Lentos: „Der nackte Mann ist unsichtbar" und hat deshalb eine eigene Ausstellung ins Leben gerufen, die am 26. Oktober ihre Tore öffnet.
„Es war nur in bestimmten Rollen zulässig, sie unbekleidet zu zeigen. Lange durften lediglich Figuren aus der Mythologie oder Märtyrer so dargestellt werden", erklärt Stella Rollig, Museums-Direktorin und Mitkuratorin der Schau „Der nackte Mann". „Für das Individuum war es undenkbar."
Schwäche
Erst seit etwas mehr als 100 Jahren gibt es in der Bildenden Kunst Werke, worauf sich die Herren in voller Pracht präsentieren. „Männer durften keine Schwäche zeigen, gerade bei der Entwicklung der bürgerlichen Welt. Es war alles hochgeschlossen, was Stärke symbolisierte. Nacktheit stand für Verletzlichkeit", sagt Rollig über den Grund für die unsichtbaren Nackedeis.
Im Lentos geht man der Frage nach, wie sich der Mann seit einem Jahrhundert seiner Nacktheit stellt und sich neu erfindet. Viele der ausgestellten Werke kritisieren tradierte Männlichkeitsbildern oder propagieren neue Lebensentwürfe, etwa die FKK-Bewegung, die im Expressionismus aufgegriffen wurde. „Der Mann ist auch aus seiner Rolle entkleidet", erklärt die Kunstexpertin. „Künstler der Moderne befragen sich selbst und zeigen sich ungeschützt." Das habe auch mit der Außenseiterrolle zu tun, die die Künstler – nicht ganz unfreiwillig – einnahmen. Mehr als 300 Exponate von Künstlern wie Egon Schiele, Lucian Freud, Erich Heckel, Keith Haring oder Maria Lassnig gibt es in Linz zu sehen.
Aufregung
Lange blieb das Thema nackter Mann unentdeckt, bevor nun ein Hype darum entstanden ist. Denn auch im Wiener Leopold-Museum widmet man sich den Herren der Schöpfung. Anders als in der Hauptstadt, wo die expliziten Werbeplakaten für Empörung sorgten, weil den Passanten das beste Stück der Männer entgegenprangte, wirbt das Lentos dezent. „Wir haben nie damit spekuliert, das Thema zu skandalisieren."
Außerdem wolle das Museum den männlichen Körper nicht als verfügbares Produkt darstellen, wie das oft beim weiblichen der Fall sei. „Ich finde es kontraproduktiv, wenn man den Spieß umdreht", sagt Rollig, deren Verhältnis zum Leopold-Museum aktuell nicht ungetrübt ist.Denn als sie bei der Vorbereitung zur Ausstellung dort um Leihgaben angefragt hatte, kündigte das Wiener Haus auch eine Schau zum Akt an. „Wir werden uns in Zukunft trotzdem gegenseitig unterstützen."