Chronik/Oberösterreich

Einblick in zerstörte Linzer Synagoge

Wo seit 1968 ein dezentes, kleines Gebäude steht, sah es vor knapp 80 Jahren noch ganz anders aus. Am Standort Bethlehemstraße 26 im Zentrum von Linz stand bis 1938 ein im klassizistischen Stil erbauter Tempel beachtlicher Größe. Zu diesem Zeitpunkt gehörten rund 800 Mitglieder zur israelitischen Kultusgemeinde. Am 10. November 1938, in der Reichspogromnacht, wurde der beeindruckende Bau angezündet und durch das Feuer komplett zerstört.

Virtueller Rundgang

Geschichte trifft also auf Zukunft, wenn kommenden Dienstag, 15. November, 19 bis 20 Uhr, trotzdem Einblicke in das nicht mehr existente Gebäude möglich sind (Reservierung: ☎ 0732/72 72 51). Architektur-Absolvent René Mathe hat im Rahmen seiner Diplomarbeit an TU Wien die Daten und Fakten rund um die zerstörte Linzer Synagoge recherchiert und das Gebäude innen wie außen durchgängig visualisiert.

Seine Abbildungen sind im Deep Space des Ars Electronica Center zu sehen und sollen einen virtuellen Rundgang durch die ehemaligen Räume ermöglichen. "Ich habe viel Zeit in den Linzer Archiven verbracht, alte Umbaupläne, Luftaufnahmen, Fotos und textliche Beschreibungen gesichtet", erinnert sich Mathe. Die Zusammenarbeit mit dem AEC sei über seinen Uni-Professor zustande gekommen, von der Visualisierung am Dienstag erhoffe er sich einen "Effekt, als ob man direkt in der Synagoge stehen würde."

Bereits 1995 wurde in Darmstadt der Grundstein für die Rekonstruktion zerstörter Synagogen im europäischen Raum gelegt. 1998 wurde dieser Gedanke auf der Technischen Universität in Wien aufgenommen und mittlerweile konnte bereits eine beträchtliche Anzahl an Gebäuden virtuell rekonstruiert werden. Somit lässt sich zumindest ein kleiner Teil dieses verloren gegangenen Kulturgutes wieder zum Leben erwecken.

Die Synagoge in Linz wurde unter der Leitung der Oberösterreichischen Baugesellschaft im neoromanischen Stil 1877 errichtet. Architektonisches Vorbild war die Synagoge in Kassel. Ziel war es, den sozialen Stand der Juden in diesem Gebäude widerzuspiegeln.

Die Rekonstruktion der Linzer Synagoge wird ergänzt durch Aufnahmen eines Thoravorhanges, einer Heiratsurkunde, eines Thorazeigers und eines Thoraschildes – alles Exponate aus dem Jüdischen Museum Wien, aufgenommen durch den renommierten Fotografen Lois Lammerhuber.

Damit erklärt sich auch der Linz-Abstecher von Danielle Spera, frühere ZIB-Sprecherin, heute Leiterin des Jüdischen Museums Wien: "Gerne werde ich über die Linzer jüdische Gemeinde, die Synagoge und die Objekte, die wir im Deep Space vorstellen, sprechen. Mein persönlicher Bezug zur jüdischen Gemeinde Linz ist, dass wir mit der Familie des langjährigen und leider vor kurzem verstorbenen Linzer IKG-Präsidenten George Wozasek befreundet sind und jeder Gedankenaustausch mit ihm für mich persönlich sehr wertvoll war. Dieses Projekt ist für mich deshalb wichtig, weil es die Möglichkeit bietet, den vielen jungen Menschen, die das Deep Space besuchen, die Geschichte der Linzer Juden und deren Schicksal näher zu bringen – und auch auf den Verlust, der durch die Shoah entstanden ist, hinzuweisen."

Internet: www.aec.at

www.ikg-linz.at

"Keines unserer Mitglieder hat die alte Synagoge je gesehen, deshalb ist dieses Projekt für uns etwas Besonderes", erklärt Charlotte Herman, Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde (IKG) Linz, "ich habe Gänsehaut und bin sehr berührt, wenn ich daran denke."

Sie selber sei zwar bei der Präsentation im Ausland, habe aber vor, einen Ausflug mit der Gemeinde zu organisieren. Die neue Synagoge in Linz ist der einzige Tempel in Oberösterreich, derzeit gibt es rund 50 Mitglieder.

Nach dem Ende der NS-Herrschaft wurden Häftlinge des KZ Mauthausen bevorzugt in Linz untergebracht. Dadurch kam es in den ersten Nachkriegsjahren zu einer Wiedergründung der Israelitischen Kultusgemeinde in Linz. Mehrere Jahre lang war Simon Wiesenthal geschäftsführender Präsident.

Auf dem Gebiet der heutigen Synagoge befanden sich bis 1967 die Ruinen des 1938 zerstörten Bethauses. 1965 fasste die oberösterreichische Landesregierung den Beschluss , als Geste der Wiedergutmachung, Beihilfe zum Bau einer neuen Synagoge zu leisten. Diese wurde nach Plänen von Fritz Goffitzer im modernistischen Stil erbaut und 1968 eingeweiht.