Chronik/Oberösterreich

„Wollte Zeichen setzen, dass es mir nicht um Bestrafung geht“

KURIER: Herr Dönmez, als Reaktion auf Ihr Aufsehen erregendes Facebook-Posting im Sommer 2013 ist im Internet zu Ihrer Ermordung aufgerufen worden. Wie akut war die Bedrohung?
Efgani Dönmez: Sie war immerhin so ernst, dass ich fast dreieinhalb Monate lang Polizeischutz benötigt habe.

Den Ermittlern ist inzwischen aber gelungen, mehrere Verdächtige auszuforschen?
Ja, drei Personen konnten namentlich bisher zweifelsfrei identifiziert werden.

Einer davon, der 33-jährige Talat A., stand deswegen bereits im Februar in Wien vor Gericht?
Ich hab’ ihn vor der Verhandlung am Gang getroffen und angesprochen. Dabei hat er mir erzählt, dass er sich von einseitigen türkischen Medienberichten mitreißen hat lassen. Die Morddrohung habe er aus einem Impuls heraus verfasst. Er hat mich glaubhaft um Verzeihung gebeten und ersucht, dass ich bei der Richterin für ihn ein gutes Wort einlege.

Was ist dann passiert?
Ich hab’ den Antrag gestellt, dass die Tat diversionell erledigt wird. Der Vorschlag war, eine Mediation beim Verein Neustart durchzuführen.

Warum haben Sie ihm die Chance eröffnet, ohne Vorstrafe aus der Sache herauszukommen?
Ich wollte ein Zeichen setzen, dass es mir nicht um seine Bestrafung geht. Sondern darum, dass er einsieht, dass man in einer funktionierenden Demokratie auch andere Meinungen zulassen muss.

Und Sie glauben, dass bei Talat A. ein Umdenken stattfand?
Ja. Er hat bei den Mediationsgesprächen erklärt, dass er dadurch einen nachhaltig positiven Eindruck von mir gewonnen hat. Sein Bild von mir, das er durch türkische Medien und durch diverse Vereine verzerrt vermittelt bekommen hatte, habe sich entscheidend gewandelt.

Werden Sie auch bei den anderen Verdächtigen außergerichtliche Tatausgleiche anstreben?
Ich hege keinerlei Rachegelüste und werde ihnen daher auf jeden Fall auch meine Hand entgegenstrecken. Allerdings bin nicht sicher, ob sie die auch haben wollen.

Warum das denn?
Zumindest bei einem steht fest, dass er politisch radikal organisiert ist. Ich bin gespannt, wie er reagiert.

Würden Sie Ihr Posting „5000 One-Way-Tickets und keiner würde denen nachweinen...“ heute noch so formulieren?
Vielleicht nicht so zugespitzt – aber die Kernbotschaft an die Erdogan-Fahnen schwingenden Austrotürken wäre die gleiche. Denn die politischen Konflikte aus den Herkunftländern dürfen nicht nach Österreich getragen werden. Wir brauchen hier keine ferngesteuerten Kampftruppen, sondern Leute, die versuchen, Brücken zu bauen.Wer glaubt, er muss für die AKP den Soldat spielen, soll auch seinen Präsenzdienst in der Türkei leisten.

Was sind die Gründe, warum türkische Parteien hierzulande zunehmend Einfluss gewinnen?
Das geschieht vor allem über die Kulturvereine und diverse Moscheen. Die politische Radikalisierung nimmt in dem Bereich zu. Das hat auch damit zu tun, weil nahezu alle österreichischen Parteien davor die Augen verschließen und das Feld allein der FPÖ-Polemik überlassen.