Dönmez: "Viele denken nicht strategisch"
Von Daniel Voglhuber
Efgani Dönmez erzählt, warum die Politik ihn braucht und warum er die Bildungspolitik für verfehlt hält.
KURIER: Wie ist seit der Landesversammlung Ihre Einstellung zur Basisdemokratie der Grünen? Statt des zweiten Listenplatzes für die Nationalratswahlen 2013 wurde es der vierte.
Efgani Dönmez: Meine Meinung zur Basisdemokratie ist unverändert. Sie ist eine unserer tragenden Säulen. Die Entscheidung der Hälfte der Delegierten war aus meiner Sicht eine Bauchentscheidung und nicht rationell begründet. Das ist ein Zeichen, dass es bei uns noch viele gibt, die nicht strategisch denken. Auf so einer Basis kann man keine vernünftige politische Zukunft aufbauen. Simon Seher ist ein Rohdiamant. (Der 18-Jährige unterlag Dönmez in einer Stichwahl um den vierten Platz knapp, Anm.) Er gehört aufgebaut und nicht verheizt. Ich habe ihn schon bisher unterstützt und bleibe weiterhin sein Mentor. Das Parlament ist ein hartes Terrain, da braucht man eine dicke Haut.
Sie sind einer der bekanntesten Grünen in Oberösterreich. Warum hat es für den zweiten Listenplatz nicht gereicht? Ecken Sie mit Ihren Aussagen, die oft nicht der offiziellen Parteilinie entsprechen, zu sehr an?
Ich bin jemand, der versucht, selbst zu denken. Die Menschen wissen, dass ich einen breiten Hintergrund habe. Ich komme aus einer Arbeiterfamilie, meine Eltern stammen aus dem Ausland. Ich habe den zweiten Bildungsweg absolviert. Im Bereich der Migration habe ich zehn Jahre Erfahrung gesammelt. Und da habe ich mich nie einseitig der Thematik genähert. Ich habe versucht, das differenziert anzugehen. Dass ich auch kritische Standpunkte innerhalb der Grünen vertrete, spiegelt sich bei den Wahlen wider. Zum Glück bin ich nicht von der Politik abhängig. Im Gegenteil: Sie bräuchte Leute wie mich. Da lasse ich mich nicht in ein Korsett zwängen.
Auf den ersten drei Listenplätzen in Oberösterreich stehen Personen, die doch schon ein etwas fortgeschritteneres Alter haben. Früher wurden bei den Grünen die Positionen nach einer gewissen Zeit neu besetzt.
Die Basis hat so entschieden, das muss man respektieren und zur Kenntnis nehmen. Natürlich haben diese Kolleginnen und Kollegen im Lauf der Jahre viel Erfahrung gesammelt und sich ein großes Netzwerk aufgebaut. Das beiseite zu legen, wäre für die Partei ein großer Verlust. Andererseits muss es uns auch gelingen, junge Menschen hereinzuholen. Wie wir die Liste jetzt gewählt haben, ist eine gute Mischung.
Wie hoch schätzen Sie die Chancen ein, dass Sie 2013 in den Nationalrat einziehen werden?
Bei Umfragen stehen wir zwischen elf bis 15 Prozent. Wir würden zirka 12,5 Prozent brauchen, damit wir von drei auf vier Mandate aufstocken. Das ist realistisch.
Warum ist das realistisch? 2008 waren es 10,3 Prozent.
Wir sehen, dass die Art, wie Politik in Österreich betrieben wurde, so nicht mehr möglich ist. Die Korruptionsskandale, die von uns aufgedeckt wurden, sind die Spitze des Eisbergs. Wir brauchen uns nicht wundern, dass die Menschen Politiker-verdrossen sind. Und da braucht es eine neue politische Kultur, für die wir stehen.
In Oberösterreich sind die Grünen in der öffentlichen Wahrnehmung vorwiegend mit der Energiewende präsent gewesen. Die wurde von einer Person, Rudi Anschober, präsentiert. Ein Fehler?
Das finde ich nicht. Wir haben ein breit aufgestelltes Team. Aber die mediale Wahrnehmung ist eine andere als die tagespolitische Arbeit. Wir sind nicht nur auf dieses Thema zu beschränken. Wenn es uns nicht gäbe, wären viele andere Bemühungen im Sande verlaufen. Ich denke nur an den Rechtsextremismus. Da haben wir Aussteigerprogramme vorangetrieben. Wenn die Grünen nicht gewesen wären, hätte es auch bei der Wohnsituation massivere Einschnitte gegeben.
Sie haben angekündigt, dass einer Ihrer Schwerpunkte neben der Außen- und der Arbeitnehmerpolitik eine „konstruktive Migrationspolitik“ sein wird. Was ist damit gemeint?
Ich trete für eine differenzierte Herangehensweise ein. Für mich sind nicht alle Ausländer Opfer und jeder, der Kritik daran übt, ist ein Nazi. Viel beruht auf Missverständnissen und falschen Infos. Da ist es mein Part, mit den Menschen in Dialog zu treten, insbesondere mit den jungen. Da ich zwischen zwei Kulturen aufgewachsen bin, verstehe ich beide Seiten.
Wie sehen Sie die Asylpolitik in Österreich?
Wir diskutieren, dass wir zirka 1500 Menschen, die im Erstaufnahmezentrum sind, auf neun Bundesländer verteilen. Da gibt es Widerstand in manchen Gemeinden, der geschürt wird. Die Aufgabe der Politiker jeder Couleur wäre aufklärend einzuwirken. Aber mancherorts wird Öl ins Feuer gegossen. Es sind nicht alle brav und auch nicht alle böse. Menschen, die Hilfe brauchen, muss man unterstützen. Die mit anderen Absichten kommen, müssen das Land wieder ganz schnell verlassen. Die Rahmenbedingungen macht aber die Politik – und nicht die Asylwerber.
Wie würden ideale Rahmenbedingungen aussehen?
Wenn ein Asylantrag positiv ist, muss ein volles Integrationsprogramm angeboten werden. Das soll von Sprachkursen bis zu Angeboten für den Arbeitsmarkt gehen. Diese Menschen sind wertvolle Ressourcen und Österreich ist ein Exportland. Wenn wir die Leute aufbauen, die aus diesen Ländern kommen, können sie Brücken zu den Zukunftsmärkten sein. Es wäre kurzsichtig, wenn wir das Potenzial nicht nutzen.
Wie beurteilen Sie die Integrationspolitik im Land?
Gelungene Integration ist über den sozialen Aufstieg messbar. Man braucht sich nur ansehen, wie wenig Migranten in bestimmten Berufsgruppen – etwa in der Politik – vertreten sind. Aber wir können auf keines dieser Potenziale verzichten. Ich greife mir an den Kopf, wenn ich mir die Bildungspolitik ansehe. Kinder und Jugendliche, die im österreichischen Bildungssystem ausgegrenzt werden, werden von bestimmten Vereinen aus den Herkunftsländern abgeholt. Und die vertreten oft eine nationalistische Ideologie. Die haben ihre eigenen Kindergärten, ihre eigenen Studentenverbindungen. Dann werden die Menschen von ihnen indoktriniert. Ich möchte keine Zustände wie in Berlin, wo jüdische Mitbürger angegriffen werden. Es ist wichtig, dass wir in der Bildungspolitik Meter machen, denn diese Lücken schließen gegenwärtig Vereine aus den Herkunftsländern, welche eine gewisse Agenda verfolgen.
Warum funktioniert der soziale Aufstieg nicht?
Wir haben viele gläserne Decken. Als ich zum eingeschilt worden bin, ist meiner Mutter nahegelegt worden, dass sie mich in die Sonderschule schickt. Sie hat sich am Anfang gefreut, weil Sonderschule auf Türkisch Begabtenschule bedeutet. Als ihr das wer ausgedeutscht hatte, hat sie sich auf die Füße gestellt. So verbaut man vielen Kindern und Jugendlichen die Zukunft.
Vita: Der Grün-Politiker Efgani Dönmez wurde in der Türkei geboren und wuchs in Pinsdorf im Salzkammergut auf. 2008 zog er als erster Abgeordneter mit Migrationshintergrund in den Bundesrat ein. Der 36-Jährige absolvierte zunächst eine Lehre als Heizungstechniker. Im zweiten Bildungsweg studierte er an der Landesakademie für Sozialarbeit und Konfliktmanagement an der Johannes Kepler Uni Linz.
Mit seinen Aussagen wie „Imame brauchen eine Ausbildung und dürfen keine Kameltreiber aus Anatolien sein“ oder „Brüste zu haben reicht bei den Grünen nicht als Qualifikation“ wurde er parteiintern heftig kritisiert.