"Der Mensch hält sehr viel aus"
Geschieht ein spektakuläres Verbrechen, ist ihre Meinung gefragt: Heidi Kastner, Leiterin der forensischen Abteilung in der Linzer Landesnervenklinik Wagner-Jauregg, hat schon mehr als 1500 Gerichtsgutachten erstellt. Die 49-jährige Psychiaterin gilt als Expertin auf diesem Gebiet. Sie saß zum Beispiel mehrmals dem Amstettner Inzest-Vater Josef F. gegenüber. Genauso wie der des Doppelmordes verdächtigten Estibaliz C.
Der KURIER wollte von Kastner wissen, was sie von dem Fall Manfred B. hält. Der 60-jährige Mann, der heute mit seiner Familie in Wels lebt, saß 17 Jahre im Gefängnis - für den Mord an einer Prostituierten, den ein anderer begangen haben dürfte (der KURIER berichtete).
Kastner: "Jemand, der so lange Zeit in Haft ist, befindet sich in einer Extremsituation. Er ist einer kaum abschätzbaren Belastung ausgesetzt." Wichtig sei Kastner, festzustellen, dass rechtlich noch nicht geklärt sei, ob B. tatsächlich unschuldig im Gefängnis war. Die Psychiaterin aus Linz betont auch, dass der Mensch sehr viel aushält und die Fähigkeit hat, sich mit widrigen Umständen zu arrangieren. Sonst könne er nicht überleben. "Der betroffene Herr B. hat in der Haft bestimmt versucht, das Beste daraus zu machen." Letztendlich könne sich aber nur jemand, der Ähnliches erlebt hat, vorstellen, was es bedeutet, 17 Jahre lang eingesperrt zu sein.
Schmerzensgeld
Ob Schmerzensgeld ein wenig helfen würde, das ertragene Leid zu lindern? B.s Anwalt Clemens Krabatsch schätzt, dass sein Mandant vom Staat 300.000 Euro bekommen könnte.
"Schmerzensgeld ist wichtig, weil es eine moralische Wiedergutmachung darstellt. Aber Tatsache ist: Mit Geld kann man so etwas nicht kompensieren."
Kastner nennt ein Beispiel: "Nehmen Sie einen Menschen, der durch unglückliche Umstände ein Bein verloren hat. Er ist nicht mehr derselbe Mensch wie vorher. Auch wenn er dafür noch so viel Schmerzengeld erhält. Herrn B. wird es wohl genauso gehen."