Die Betriebsanzahl verdoppelt, Hälfte pendelt nach Linz aus
Seit 1989, dem Jahr, in dem der Eiserne Vorhang gefallen ist und die Grenzen zum heutigen Tschechien geöffnet wurden, hat sich keine Region innerhalb Oberösterreichs wirtschaftlich so rasant entwickelt wie der Bezirk Freistadt. Die Anzahl der Unternehmen hat sich in den vergangenen 25 Jahren von damals 1500 auf aktuell 3350 mehr als verdoppelt. „Wir haben im Durchschnitt drei Unternehmensgründungen pro Woche“, sagt Gabriele Lackner-Strauss, Obfrau der Wirtschaftskammer (WK) Freistadt. Zu dem kommt eine sehr niedrige Arbeitslosigkeit in der Region. Die Arbeitslosenquote – sie liegt bei 3,9 Prozent im Jahresdurchschnitt 2013 – ist die drittniedrigste Österreichs und hat zudem bundesweit unterdurchschnittliche Zuwachsraten. Da der Anteil an Bau- und Baunebengewerbe aber vergleichsweise hoch ist, steigt die Anzahl der Arbeitsuchenden im Winter um ein Drittel.
Laut Alois Rudlstorfer, Bezirksstellenleiter des Arbeitsmarktservice, hätte vor allem die Kleinstrukturiertheit der Betriebe die Krise überdurchschnittlich abfedern können. Lediglich zehn privatwirtschaftliche Betriebe beschäftigen zwischen 100 und 250 Mitarbeiter. Der größte private Arbeitgeber im Bezirk ist Wimberger Bau aus Lasberg mit 250 Mitarbeitern, gefolgt von den beiden Freistädter Unternehmen FM-Küchen (190 Mitarbeiter) und dem Schlauch-, Seil- und Gurterzeuger Haberkorn (180 Mitarbeiter). Das Kurhotel Bad Zell liegt mit 160 Mitarbeitern an vierter Stelle. Auf öffentlicher Seite dominiert das Landeskrankenhaus mit 500 und der Sozialhilfeverband mit 320 Mitarbeitern.
Ein Nachteil der Region ist, dass das Einkommensniveau mit 1856 Euro Bruttomonatslohn im Schnitt vergleichsweise niedrig und der Anteil der Auspendler vergleichsweise hoch ist. Letzteres lässt dabei wiederum einen nicht unbeträchtlichen Anteil an Kaufkraft in Richtung Landeshauptstadt abfließen. Nach Daten der Statistik Austria (Registerzählung 2011) pendeln insgesamt 10.600 Menschen aus dem Bezirk nach Linz in die Arbeit, zusätzliche 1300 sind in Linz-Land beruflich tätig. Bei insgesamt rund 26.000 Erwerbstätigen ergibt sich, dass fast jeder zweite Arbeitnehmer aus dem Bezirk ein Auspendler ist. In der Stadtgemeinde Freistadt zeigen die Zahlen ein etwas differenziertes Bild. Hier pendeln täglich mehr als 2000 Erwerbstätige aus und rund 3534 ein bei insgesamt rund 5000 Arbeitsplätzen.
S10 bringt Vorteile
Dass durch die künftige, wesentlich schnellere Mühlviertler Schnellstraße S10 noch mehr Arbeits- und Fachkräfte sowie Kaufkraft aus der Region abfließen, wird bezweifelt. „Der Stau direkt vor Linz wird nicht ausbleiben. Außerdem haben die Pendler nicht unbeträchtliche Fahrtkosten“, meint Rudlstorfer. Auch die meisten Unternehmen tangiert diese Frage nur im Hintergrund, da die Vorteile für die wirtschaftliche Gesamtsituation überwiegen.
„Fakt ist, das die S 10 auch viele Arbeitsplätze in die Region bringt. Es gibt große Firmen, die angekündigt haben, Teile auszulagern, falls die Schnellstraße nicht kommt. Ohne sie hätte sich beispielsweise auch Greiner sich nicht angesiedelt“, sagt WK-Bezirksstellenleiter Dietmar Wolfsegger.
Der Biotechnologiekonzern Greiner Bio-One hat sich vor drei Jahren in Rainbach mit 130 Mitarbeitern niedergelassen und mehr als sechs Millionen Euro in ein Forschungszentrum investiert. „Viele unserer Mitarbeiter am Standort Rainbach waren vorher Pendler. Jetzt können sie wieder in ihrer Region arbeiten“, sagt Greiner-Sprecher Wilfried Stock.
„Wir versuchen die Leute aus der Region auch in der Region einzusetzen“, erläutert auch Christian Wimberger, Chef des gleichnamigen Bauunternehmens. Ein Fachkräfteproblem durch Auspendler sieht Wimberger in seinem Betrieb „eher weniger“. Im Mühlviertel kriege man nach wie vor die besten Handwerker. Schwieriger sei es aber in den anderen Filialen. Generell laufe der Privathausmarkt im Raum Freistadt gut und auch die Grundstückspreise seien laut Wimberger interessant.
Gemeindekooperation
Seit zehn Jahren werden Betriebsbaugebiete im Bezirk von alle 27 Gemeinden gemeinsam vermarktet. Seither konnten dadurch mehr als eine Million Euro an Kommunalsteuer eingenommen und verteilt werden. Ein weiteres Projekt interkommunaler Raumplanung führen aktuell acht Gemeinden entlang der S 10 durch. Laut dem Freistädter Bürgermeister Christian Jachs sollten sich die Nachbargemeinden noch stärker miteinander vernetzen. „Wir profitieren von den offenen Grenzen und fungieren als eine Art Drehtür mit Tschechien und Polen.“ Außerdem könne die Region mit einer hohen Lebensqualität und Kinderfreundlichkeit punkten. „Alleine in Freistadt haben wir 13 Kinderbetreuungseinrichtungen sowie ein breites schulisches Angebot.“
Pionier nach Grenzöffnung
Laut Bezirksstellenleiter Wolfsegger habe man zwar viel Kontakt mit den tschechischen Unternehmensvertretern. „Die Zusammenarbeit gestaltet sich aber noch immer etwas mühsam und könnte viel intensiver sein.“