"Es macht mich kaputt, keiner sieht einem mehr ins Gesicht"
Der tendenzielle Rechtsruck einer Gesellschaft in wirtschaftlichen Krisenzeiten ist ein historisch nachgewiesenes Phänomen. Hochaktuell ist deshalb auch die Thematik des Theaterstücks "Angst essen Seele auf" – nach dem gleichnamigen Film von Rainer Werner Fassbinder –, das am Freitag in den Kammerspielen des Landestheaters seine Premiere feierte.
Die verwitwete, in die Jahre gekommene Putzfrau Emmi Kurowski (Verena Koch) trifft in einer Gastarbeiterkneipe auf den jungen Marokkaner Salem (Markus Subramaniam). Die beiden verlieben sich und heiraten – trotz der offenen Anfeindungen von Emmis Kindern, Arbeitskolleginnen und Nachbarn.
Der Alters- und Rassenunterschied ist für das Umfeld der beiden ein doppelter Tabubruch und wird sozial eiskalt sanktioniert. "Es macht mich kaputt, keiner sieht einem mehr ins Gesicht." Doch anstatt an der Feindseligkeit zu zerbrechen nährt diese die Liebe von Emmi und Salem erst recht.
Keine Überraschungen
Sie machen Urlaub. Als sie zurückkommen, werden sie durch Opportunismus und Eigennutz ihrer Mitmenschen mehr und mehr akzeptiert – zumindest oberflächlich. Aber als der Druck von außen nachlässt, beginnt das innere Verhältnis der beiden zu zerbröckeln. Der Ausländerkonflikt mutiert in einen Beziehungskonflikt.
Wer den genialen Kultfilm Fassbinders von 1974 kennt, erlebt bei der durchwegs gelungenen Inszenierung von Bernarda Horres keine großen Überraschungen. Das Bühnenbild (Anja Jungheinrich) ist ähnlich statisch und reduziert gehalten. Eine Videokamera, die die 90-minütige Aufführung aus den unterschiedlichsten Perspektiven mitfilmt und auf eine Leinwand projiziert, bringt eine interessante Dynamik hinein. Mit mehreren Einspielungen eines oberösterreichischen Radiosenders wird versucht, einen Bezug von den 70er-Jahren in München in das hier und jetzt aufzubauen.
Anna Eger, Gunda Schanderer, Sebastian Hufschmidt, Katharina Hofmann, Peter Pertusini und Aurel von Arx, in wechselnden Rollen, erschaffen ein perfekt-ekelhaftes Klima der Feindseligkeit, gespickt mit bissigem Humor. Lob auch den Protagonisten Koch und Subramaniam, die dem Zuschauer ihre romantischen Gefühle, den inneren Kampf und ihre Ohnmacht intensiv nachempfinden lassen. Man könnte einwenden, dass Horres das Stück zu wenig an die heutige Fremdenfeindlichkeit anknüpfen lässt. Aber vielleicht liegt gerade darin der Anspruch an den Zuschauer, diese wichtige Thematik selbst mit der Gegenwart in Beziehung zu setzen. Das Publikum spendete – im ausverkauften Haus – jedenfalls tosenden Applaus.
Weitere Termine: 29. 5.; 4., 11., 25., 27. 6; 1. und 4. 7. Jeweils um 19.30 Uhr.