Analyse: Warum tötet eine Mutter ihr Kind?
Was veranlasst jemanden, das Liebste in seinem Leben auszulöschen? Im Fall Nußdorf am Attersee, wo eine Mutter ihren Sohn getötet haben dürfte und sich selber das Leben nehmen wollte, ist diese Frage noch offen. Die Wiener Psychiaterin Sigrun Roßmanith kann auch nur grundsätzlich Antworten geben. So bestehe bei einem erweiterten Suizid der Wunsch, mit einer nahestehenden Person "in eine andere Welt zu gehen". In vielen Fällen gehe diesem Verlangen eine psychotische Erkrankung voraus, dies müsse aber nicht unweigerlich der Fall sein. Absicht der Person ist es immer, sich selber das Leben zu nehmen, erklärte Roßmanith. Das unterscheide den erweiterten Suizid von einem erweiterten Mord. Dabei werde gezielt ein Mensch getötet und nach einer gewissen Phase der Reflexion bringe sich der Täter dann selber um.
Welches von beiden Tötungsdelikten in Nußdorf vorliegt, ist Gegenstand der Ermittlungen. Die Kriminalisten sprechen aber von einer "Verzweiflungstat". Diese Verzweiflung beziehe sich bei einem erweiterten Suizid stets auf die Lebenssituation des Täters, stellte die Psychiaterin im APA-Gespräch klar. Derjenige sehe "aus welchen Umständen auch immer" keine Möglichkeit im "Hier und Jetzt" zu bleiben, will aber den Angehörigen nicht allein zurücklassen. Eine Trennung vom geliebten Menschen wird als unerträglich empfunden, weiß Roßmanith aus Therapien mit Menschen, die Selbstmordversuche überlebt haben. "In 60 Prozent der Fälle begehen sie zwei Jahren nach der Tat einen neuerlichen Suizidversuch." Das Motiv sei eher nicht die Schuld.
Ungewöhnlich findet sie im aktuellen Fall in Nußdorf, das der Neunjährige mit einem Messer getötet wurde. Bei Kleinkindern "sind die Hände meist das Tatwerkzeug", so die Psychiaterin. Größere Kinder würden eher vergiftet. Grundsätzlich würde sie nicht behaupten, dass ein erweiterter Suizid ein typisch weibliches Phänomen sei.