Chronik/Niederösterreich

„Wünschen uns die Mama zurück“

Für Geschenke fehlt das Geld. Ein geschmückter Christbaum interessiert sie nicht. Weihnachtsstimmung will bei Michael Grasl, 19, und seinem Bruder Markus, 14, keine aufkommen. Die beiden Geschwister aus Waidhofen an der Thaya im Waldviertel sitzen auf der Wohnzimmercouch und blicken nachdenklich in die brennende Kerze. Daneben steht eine Schüssel mit Weihnachtskeksen auf dem Tisch. Sie sind alleine.

Während die alleinerziehende Mutter Gabriele nach einem schweren Verkehrsunfall im Krankenhaus Horn um ihr Leben kämpft, blicken ihre beiden Kinder in eine ungewisse Zukunft. Sie wissen, dass die finanziellen Mittel kaum reichen, um halbwegs sorgenfrei leben zu können.

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Seit 7. November ist nichts mehr so, wie vorher. Gabriele Grasl verunglückte auf dem Heimweg, nur wenige Kilometer von Waidhofen entfernt. Die 52-Jährige geriet auf die Gegenfahrbahn und prallte mit ihrem Pkw frontal gegen einen Wagen. Grasl dürfte während der Autofahrt einen Schlaganfall erlitten haben. Seither liegt die Frau mit schwersten Kopfverletzungen auf der Intensivstation. Ihr Zustand ist kritisch. Hinzu kommt, dass sie vor Jahren an Multipler Sklerose – Schädigung des Nervensystems – erkrankte und daher Frühpensionistin ist. „Wenn sie ins Leben zurückkehrt, wird sie vermutlich ein Pflegefall bleiben“, wissen die beiden Burschen.

Scheidung

Mit ihrem Vater gibt es kaum Kontakt. Er hat die Familie nach der Scheidung vor zehn Jahren verlassen. Großeltern mütterlicherseits gibt es keine mehr. Der 19-Jährige hat zu Hause Mamas Rolle übernommen. „Wenn ich zu Mittag heimkomme, koche ich immer für uns beide“, erzählt Michael, der noch zur Schule geht und vor der HAK-Matura steht. „Lernen und Haushalt führen sind eine gewaltige Belastung“, sagt er. Trotzdem lässt er den Kopf nicht hängen. „Morgens mache ich das Frühstück und schau, dass Markus pünktlich in die Schule kommt“, schildert Michael.

Unterstützung bekommen die beiden Brüder zumindest noch bis Jahresende von einer Haushaltshilfe, die vom örtlichen Sozialamt geschickt wird. Sie hilft beim Wäschewaschen und Putzen. Ein täglicher Fixpunkt neben der Hausarbeit ist ein Besuch im Krankenhaus. „Wir wollen oft bei unserer Mama sein. Unsere Nähe gibt ihr viel Kraft“, erzählen sie. Gabrieles Reaktionen sind aber noch minimal. „Wichtig ist, dass sie bald wieder gesund wird“, sagt der 14-Jährige.

Sorgen

Wie es in Zukunft finanziell weitergehen soll, wissen sie nicht. Unklar ist, ob sie im Reihenhaus bleiben können. Immerhin muss das Eigenheim für die spätere Pflege der Mutter barrierefrei umgebaut werden. Das Geld fehlt aber an allen Ecken und Enden – etwa auch für Michaels Führerschein, für ein neues Auto und die Miete.

Der 19-Jährige wirkt dennoch gefasst und zuversichtlich. „Nach der Matura will ich mich beruflich auf IT und Computer spezialisieren“, sagt Michael, der sich trotz der Doppelbelastung die Zeit nimmt, um Freunde zu treffen. Die geben wiederum ihm viel Kraft.

Seine Augen blicken immer wieder starr in die brennende Kerze. Den größten Wunsch haben die beiden Geschwister gleich formuliert: „Wir wünschen uns, dass die Mama bald zurückkommt und wir wieder eine Familie sein können.“

Spendenaufruf

Um den beiden Geschwistern Michael und Markus Grasl das Leben finanziell einfacher zu machen, hat der Kriegsopfer- und Behindertenverband (KOBV) Ortsgruppe Waidhofen an der Thaya ein Spendenkonto eröffnet. Die KOBV-Mitglieder Franz Wurmbrand, Hermann Stranzky und Gertraud Bittermann kümmern sich unter juristischer Aufsicht um die Abwicklung und hoffen auf viele Unterstützer.

SpendenkontoWaldviertler Sparkasse, Kennwort: „Spendensparbuch Grasl“, IBAN: AT122027200110327137, BIC: SPZWAT21

Ihr Schicksal macht betroffen. Seit die alleinerziehende Mutter Gabriele Grasl im Spital liegt, sind ihre beiden Kinder Michael und Markus auf sich alleine gestellt. „Sie brauchen Unterstützung“, weiß Gertraud Bittermann, Funktionärin beim Kriegsopfer- und Behindertenverband (KOBV) Ortsgruppe Waidhofen/Thaya. Deshalb hat sie eine Initiative gestartet, um zumindest ihre finanziellen Sorgen mildern zu können.

„Man kann sich gar nicht vorstellen, wie sich das Leben beider Kinder plötzlich verändert hat. Michael ist von jetzt auf gleich Oberhaupt der Familie. Am Anfang hatten sie nicht einmal etwas Ordentliches zu essen“, weiß Bittermann. Inzwischen bekamen sie erste Spenden, um das Nötigste zahlen zu können. „Sie sind zwar bereits sehr selbstständig, brauchen aber häufig einen Ansprechpartner“, sagt Bittermann.

Sie versucht, auch eine mentale Stütze zu sein. „Michael ist ständig mit neuen Fragen konfrontiert, die ihn nicht selten überfordern“, weiß die Funktionärin. Zusätzlich hoffen die Geschwister, dass es ihrer Mama bald besser geht. „Für die Burschen ist das alles keine einfache Zeit. Wir müssen versuchen, den beiden den Rücken zu stärken“, schildert Bittermann. Sie hofft auf großzügige finanzielle Hilfe.