„Wien ist ein Vorort von St. Pölten“
Norbert Steiner, 76, empfängt den KURIER in seinem Büro in der Gemeinnützigen Bau-, Wohn und Siedlungsgenossenschaft Alpenland in St. Pölten. Er ist Obmann des Konzerns, im Jahr 2017 wurden mehr als 29.000 Quadratmeter Wohnfläche an die Kunden übergeben. Jahrzehntelang war Steiner zudem an maßgeblichen Projekten in Niederösterreich beteiligt, die das Land geprägt haben (siehe Zusatz). Deshalb verfolgt er nicht nur in seiner Rolle als Alpenland-Obmann die Entwicklung der nö. Landeshauptstadt mit großem Interesse
KURIER: Nachdem Sie das Projekt Skylink am Flughafen Wien gerettet hatten, wollten Sie es ruhiger angehen. Heute sind Sie Alpenland-Obmann. Keine Lust auf Ruhestand?
Norbert Steiner: Immer wenn ich sage, ich höre auf, dann kommt irgendjemand und ruft: Norbert, du musst uns da helfen. Aber richtig große Projekte mache ich sicher nicht mehr. Im Wohnbau geht es viel vernünftiger zu. Es gibt kein Vergabegesetz und man arbeitet mit Architekten und Baufirmen zusammen, die morgen auch wieder mit einem arbeiten wollen. Die Atmosphäre ist zudem eine andere, viel angenehmer. Das kann man sich auf seine alten Tage noch zumuten.
Sie haben für Alpenland schon Hunderte Wohnungen in St. Pölten umgesetzt. Was macht die Stadt attraktiv?
Ich war lange Hauptstadtplaner und habe mich immer gewundert, dass zwar die Ziele, die man sich in Sachen Arbeitsplätze, Verwaltung und Kultur gesetzt hatte, erreicht wurden, das Wohnen aber nie richtig anlief. Bürgermeister Matthias Stadler hat da ein ganz anderes Tempo vorgelegt. Er hat mit der Wohnbauoffensive sicher etwas sehr Gescheites gemacht. Denn langsam wächst die Stadt nach. Es ist ja auch ein komischer Zustand, dass in der Stadt mehr Jobs als Einwohner vorhanden sind. Die schnelle Verbindung nach Wien macht die Region sicher sehr attraktiv. Wien ist inzwischen ein Vorort von St. Pölten geworden.
Mehr als 4000 Wohnungen sollen in den kommenden Jahren entstehen. Ist das hohe Tempo berechtigt?
St. Pölten ist sehr preisempfindlich, es wird also nicht alles um jeden Preis gehen. Der Vorteil ist, dass St. Pölten – im Gegensatz zu allen anderen Landeshauptstädten – endlos viele Grundstücke zur Verfügung hat. In jede Himmelsrichtung gibt es Entwicklungsflächen.
Immobilien-Experten betonen, dass längst nicht alles voll ist, was gebaut wurde.
Das stimmt. Es gibt Unternehmen, die haben wienerisch gedacht, man muss aber st.-pöltnerisch denken. Unsere Projekte sind zum Glück bislang immer aufgegangen, sie sind voll vermietet. Ein paar, die da mit dem Preis spekuliert haben, tun sich jetzt schwerer.
In Sachen Mieten (rund 8,30/, Anm.) ist St. Pölten noch immer die billigste Landeshauptstadt. Wird das so bleiben?
Ich glaube nicht, dass sich die Bevölkerung plötzlich mehr leisten wollen wird. St. Pölten sollte weiterhin eine lebenswerte und leistbare Stadt bleiben, so muss auch das Motto der Stadt lauten.
Vor einiger Zeit haben Sie gesagt, dass Sie bei einigen Projekten das Qualitätsbewusstsein vermissen. Wie haben Sie das gemeint? Fehlen die großen Würfe?
Wir bauen in St. Pölten noch immer viele Garagen und Stellplätze. Klar ist aber, dass sich in Zukunft das Mobilitätsverhalten verändern wird. Ein Beispiel: Alpenland verwirklich derzeit beim Mühlbach ein Wohnprojekt. Unterirdische Stellplätze gibt es dazu aber nur mehr in einem bestimmten Umfang, alles andere ist im Freien. Damit haben wir die Möglichkeit, auch etwas anderes hinzustellen, wenn die Menschen nicht mehr so auf Autos angewiesen sind. Außerdem müssen wir schauen, dass ein wirklich grünes Wohnen zustande kommt. Damit meine ich, dass den Bewohnern auch viele Freiflächen zur Verfügung stehen sollten.
St. Pölten möchte Kulturhauptstadt 2024 werden. Ist das eine Chance für die Stadt?
Ja. Ich habe mir in der Vergangenheit immer wieder Kulturhauptstädte angeschaut. Dabei hat mir Aarhus sehr imponiert. Die Stadt hat mit der Bewerbung versucht, aus dem Schatten Kopenhagens herauszutreten. Und St. Pölten hätte damit die Chance, aus dem Umlanddasein von Wien herauszukommen. Allerdings hätte ich mir gewünscht, dass bei den Bauwerken ein bisschen mutiger gedacht wird. Es fehlt das große Leuchtturm-Projekt. In Aarhus haben sie zum Beispiel die größte Bibliothek Skandinaviens gebaut. Da ist sogar ein Kindergarten und ein Bürgerzentrum drin. Zudem haben sie die Innenstadt beruhigt und die Autos verbannt.