Chronik/Niederösterreich

"Wie aus der Nachkriegszeit": Pendler-Ärger über Bahnhof

"Das Einsteigen war nach meiner Meniskusoperation sehr beschwerlich. Ich musste mich immer hinknien und dann langsam hochziehen", klagt Brigitte Jörgen über die Herausforderungen am Bahnhof Kirchstetten (Bezirk St. Pölten). Der Grund für den Ärger: Der Bahnhof verfügt, als einer der letzten in Niederösterreich, über keinen niveaufreien Zugang. Der Höhenunterschied zwischen Bahnsteig und Einstieg beträgt derzeit rund 50 Zentimeter. Die Mitnahme von Fahrrädern bzw. Kinderwägen wird dabei zu einer echten Herausforderung.

Auch die gesetzlich fixierte Barrierefreiheit, die seit Anfang des Jahres unter anderem für öffentliche Gebäude gilt, wird nicht erfüllt. Der Zutritt zum Warteraum, in dem sich Ticketautomat und Kartenentwerter befinden, ist nur über Stufen möglich. Zudem müssen die Pendler über die Gleise zu den Bahnsteigen gehen. Einen Lift oder eine Unterführung gibt es nicht. "Es sind jetzt zehn Jahre verstrichen und nichts ist passiert. Der Bahnhof wirkt noch wie aus der Nachkriegszeit", klagt ihr Mann Knud.

"Immer vertröstet"

Mit dem Zustand des Bahnhofes unzufrieden ist auch Bürgermeister Paul Horsak: "Wir haben viele ältere Personen und Kinder, die den Zug regelmäßig benutzen müssen." Ein Umbau sei schon vor zehn Jahren versprochen worden. "Bis jetzt wurden wir aber immer nur vertröstet."

Laut Gemeinde wird nun ein neuer Anlauf unternommen. Die Planungen sollen demnach im kommenden Jahr beginnen, die Sanierung 2018/2019 erfolgen. Gegenüber dem KURIER teilt die ÖBB mit, dass der Planungsauftrag schon im April 2016 erfolgen könnte, der Umbau 2017. Dabei soll ein Inselbahnsteig errichtet werden, der über einen Personentunnel erreichbar sein wird. Ein barrierefreier Umbau sei wegen der geringen Reisendenfrequenz aber nicht vorgesehen.

Die Bundesbahnen verweisen auf das Gesetz: Darin wurde festgehalten, dass bis Ende 2015 alle Verkehrsstationen barrierefrei sein müssen, die eine Reisendenfrequenz von mehr 2000 Personen pro Tag aufweisen, wichtige Umsteigeknoten sind oder in einer Landes- bzw. Bezirkshauptstadt liegen. Es sei denn, eine Sanierung wäre unzumutbar. Und genau diese Unzumutbarkeitskriterien seien laut ÖBB noch nicht definiert.

Verfahren einleiten

Die Gemeinde kann eine Sanierung jedoch nicht erzwingen. Und auch die Möglichkeiten der Betroffenen sind begrenzt. Falls sich ein Pendler in seinen Rechten der Barrierefreiheit verletzt fühlt, kann er ein Verfahren bei der Schlichtungsstelle einleiten.

Das Ehepaar will über die ÖBB aber nicht nur klagen. Der Fahrplan sei seit dem Wechsel im Dezember wesentlich besser geworden, die Züge halten öfters. "Das muss man ihnen schon zugutehalten", sagt Knud Jörgen.