Chronik/Niederösterreich

Bürgerproteste gegen Kahlschläge

Erste Frühlingsboten locken Erholungssuchende vor die Tür. Doch an einigen Plätzen bietet sich ihnen ein tristes Bild, weil die „Schlägerungswut“ ausgebrochen ist. „Wenn es so weitergeht, gibt es schon bald keine stattlichen Bäume und Alleen mehr, sondern nur noch Jungholz“, sagt Richard Pils aus Gmünd, der Bücher – auch über die Schönheiten der Natur – herausgibt. Nicht nur er kämpft gegen das Abholzen vieler Bäume. Auch in anderen Regionen Niederösterreichs wollen Anrainer die Motorsägen bremsen.

Grund für die Entwicklung ist ein Höchstgerichtsurteil. Nachdem eine Frau im Jahr 2008 in St. Pölten von einem Ast erschlagen wurde, konnte die Stadt ihre Unschuld nicht beweisen und wurde in letzter Instanz verurteilt (siehe auch Zusatzbericht). Das sorgt dafür, dass die Motorsägen spürbar öfter angeworfen werden.

„Alle Gemeinden sind aufgefordert, gefährliche Bäume wegzuräumen“, erklärt Gabriele Pfundner, Expertin vom nö. Naturschutzbund. „Weil die Bürgermeister aber große Angst vor einer Klage haben, lassen sie lieber weit mehr Bäume als notwendig umschneiden.“ Sie spüre die Tendenz, dass nicht nur einzelne, abgestorbene Äste abgeschnitten, sondern gleich ganze Bäume gefällt werden.

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Die Grün-Landtagsmandatarin Helga Krismer-Huber spricht von einer katastrophalen Entwicklung. „Seit dem Urteil in St. Pölten werden alle Bäume nur noch als Gefahr gesehen“, sagt die Abgeordnete. Krismer-Huber ärgert sich, dass sich dafür keiner im Land verantwortlich fühlt. „Wir brauchen dringend ein ordentliches Baumschutzgesetz“, fordern Krismer-Huber und der Naturschutzbund.


"Hässliches Ortsbild"

Beispiele für Schlägerungen gibt es genug. „Rund 50 bis zu 250 Jahre alte Linden sind entlang des Mühlbaches gefällt worden“, ärgert sich Anrainer Michael Brauner aus Katzelsdorf, Bezirk Wiener Neustadt. Aus seiner Sicht wäre eine Reduktion des Baumbestands auf umweltschonende und ästhetisch vertretbare Weise möglich gewesen. „Unser Ortsbild ist total hässlich geworden“, erzählt Brauner.

Oder: In Ulmerfeld, Bezirk Amstetten, kämpft eine Bürgerinitiative nach wie vor gegen das „Todesurteil“ von natur-denkmalgeschützten Bäumen.

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Während die meisten Gemeindechefs von Sicherheitsmaßnahmen reden, bezweifeln viele Anrainer ihre Argumente. Das Ziel sei klar. „Mit radikalen Schlägerungen wollen sich die Bürgermeister aus der Verantwortung, die Bäume regelmäßig untersuchen und pflegen zu müssen, frei kaufen“, betont Pils und sagt: Das sei eine bequeme Variante, um Kosten zu sparen. In seinem Fall gibt es eine vorübergehende Entwarnung. In einer Eichenallee in Gmünd dürfen vorerst keine Bäume gefällt werden, weil ein Ortsbewohner einen Antrag auf Naturdenkmal gestellt hat. Dort sollen rund 20 Eichen umgeschnitten und neue Bäume gepflanzt werden. „Solange das Verfahren läuft, darf nichts verändert werden. Ein Sachverständiger untersucht, ob die Allee schützenswert ist“, erklärt Johann Böhm, Bezirkshauptmann in Gmünd.

Sorgfalt

Alfred Riedl, der Präsident des Gemeindevertreterverbands, verteidigt das Vorgehen der Ortschefs. „Dass sie Bäume willkürlich umsägen lassen, ist ein Blödsinn. Leider ist das Gerichtsverfahren in St. Pölten für die Stadt kritisch ausgegangen. Deswegen ist noch mehr Sorgfalt notwendig“, schildert Riedl, der überzeugt ist, dass den Gemeinden ein Baumkataster nicht erspart bleibt. „20 bis 25 Prozent der Kommunen in Niederösterreich haben den bereits gemacht, um den Bestand genau dokumentieren zu können“, sagt Riedl. Rechtlich verpflichtend ist diese Auflistung aber nicht.

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Andere sehen keinen Grund für weitere Gesetze. Ein Warnschild würde für den Kremser Bürger Wolfgang Zöch völlig ausreichen. „Achtung wilde Natur!“ schlägt er sinngemäß als Aufschrift auf einer Hinweistafel vor. Er ist ein Fan von Eigenverantwortung.