Asylwerber-Umsiedlung: Ein "Testballon für ganz Österreich"?
Von Lukas Kapeller
Niederösterreich fährt mit Landesrat Gottfried Waldhäusl unter den Bundesländern nun die härteste Linie gegen Asylwerber. 405 Menschen mit negativem Asylbescheid will der FPÖ-Politiker bis Freitag umsiedeln. Waldhäusl ließ über die "Koordinationsstelle für Ausländerfragen", die dem neuen Landesrat untersteht, Briefe an Flüchtlinge schicken. Sie mögen in Grundversorgungs-Quartiere umziehen.
Die Quartiere des Landes NÖ sind vor allem Pensionen, die Flüchtlinge teilweise schon lange aufgenommen haben. Waldhäusl übt Druck über die Grundversorgung aus – im Wesentlichen also Essen, Unterkunft, medizinische Leistungen und ein kleines Taschengeld. Findet man sich bis diesen Freitag nicht im vorgeschriebenen Quartier ein, gibt es keine Leistungen. Der KURIER beantwortet aktuelle Fragen.
Was wird passieren, wenn die Menschen sich nicht in den NÖ-Quartieren einfinden?
Experten rechnen damit, dass einige der 405 abgelehnten Asylwerber in Niederösterreich bis Freitag nicht in die von Waldhäusl favorisierten Quartiere kommen werden. Das Ultimatum des Landesrats erzeuge jedenfalls Druck, sodass manche Betroffenen untertauchen könnten und – entgegen Waldhäusls Ziel – dann nicht mehr für Behörden greifbar wären.
Jene abgelehnten Asylwerber, "die in privater Betreuung durch Freundinnen, Freunde, Pfarrgemeinden, künftige Arbeitgeber oder andere Initiativen sind, werden wahrscheinlich dort bleiben, wo sie jetzt sind", sagt Georg Bürstmayr, Rechtsanwalt mit Schwerpunkt Asylrecht. Oft würden jene Helfer, die für die Unterbringung aufkommen, dies auch weiter tun wollen. Sie bekämen dann zwar einige hundert Euro monatlich weniger vom Land NÖ. Aber: "Die Leute sagen: Deshalb setze ich diesen Menschen nicht auf die Straße", erzählt Bürstmayr.
Wenn Asylwerber jetzt untertauchen und Österreich verlassen sollten, können sie in einem anderen Land der Europäischen Union noch einmal einen Asylantrag stellen?
Nein. Ein EU-Staat führt das Asylverfahren stellvertretend für alle Staaten der Europäischen Union, erklärt Bürstmayr. Ein neuer Antrag zum Beispiel in den Nachbarländern Deutschland oder Italien ist daher keine Option.
Was ist die rechtliche Grundlage der Maßnahmen in Niederösterreich?
Die Aufnahmerichtlinie der Europäischen Union besagt, dass die EU-Staaten nach einem rechtskräftigen negativen Asylbescheid keine Verpflichtung mehr haben, Asylwerber weiter zu versorgen. Das Vorgehen von Landesrat Waldhäusl ist daher rechtlich gedeckt.
Es gelten auch nationale und Landesbestimmungen. Die Grundversorgung darf Waldhäusl – bei negativem Asylbescheid – rechtlich an einen bestimmten Aufenthaltsort koppeln. Salopp gesagt lautet Waldhäusls Maßnahme also: Wer ein Dach über dem Kopf und drei Mahlzeiten am Tag möchte, bekommt diese nur noch an einer bestimmten Adresse. Wer dort bis zum 4. Mai nicht eintrifft, erhält keine Unterstützung mehr – dieses Geld floss bisher vor allem an private Unterkunftgeber.
Waldhäusl argumentiert, dass es in den niederösterreichischen Quartieren eine "fundierte" Rückkehrberatung gebe, in den privaten Unterkünften habe das Land keine Kontrolle. Stimmt das?
Anwalt Bürstmayr ist von Waldhäusls Argument verwundert. "Warum das in einem Großquartier besser funktionieren soll, verstehe ich in keiner Weise", sagt er. Hintergrund: Eine Rückkehrberatung gibt es bereits an mehreren Stellen im Asylverfahren. Ist ein negativer Bescheid zugestellt, ist eine Rückkehrberatung ohnehin verpflichtend. Und: "Die Rückkehrberatung wird in Österreich zu einem erheblichen Teil vom 'Verein Menschenrechte Österreich' (VMÖ, Anm.) durchgeführt", sagt Bürstmayr. Gerade in Niederösterreich suche der VMÖ aktiv Menschen an ihrem Wohnsitz auf. "Eigentlich macht Herr Waldhäusl dem VMÖ einen gravierenden Vorwurf. Das ist verwunderlich, weil der VMÖ zu 100 Prozent vom Innenministerium finanziert wird", sagt der Anwalt in Hinblick auf das von Herbert Kickl, einem Parteifreund Waldhäusls geführte Ministerium.
Was passiert eigentlich in einer Rückkehrberatung?
Wer einen negativen Asylbescheid erhalten hat, erfährt hier, wie er nach Hause zurückkehren und einer Abschiebung zuvorkommen kann. Der Begriff der "freiwilligen Rückkehr" steht aber in der Kritik, weil Druck auf die Betroffenen ausgeübt wird. Schließlich werde nach gültigem Fremdenrecht bei einer Nicht-Mitwirkung mit Sanktionen bis hin zur Beugehaft gedroht, kritisieren Asylhelfer. Auch ob die Rückkehr nachhaltig und sicher ist, werde in der Beratung nicht geprüft.
Was ist das Problematische an Waldhäusls Aktion?
"Man könnte vermuten, dass das Vorgehen in Niederösterreich ein Testballon ist", sagt Rechtsanwalt Bürstmayr in Hinblick auf die Organisation der Umsiedlung und auch die Akzeptanz durch die Bevölkerung. Bürstmayer hält die Aktion zwar für rechtlich gedeckt, hält allerdings die begleitende Wortwahl des Landesrats für das eigentliche Problem. "Mit diesen Bildern wird Asylwerbern ein Stück Menschenwürde genommen." So begründete Waldhäusl sein Vorgehen vor allem mit einem aktuellen Vergewaltigungsprozess um einen Fall in Tulln. Außerdem habe er "im Zusammenhang mit Menschen von einem Saustall" gesprochen, kritisiert Bürstmayr.