Vermisste Personen: Diese Hunde haben den richtigen Riecher
Von Katharina Zach
Aufgeregt wedelt Lou mit dem Schwanz, das ganze Hinterteil wippt mit. Eigentlich der ganze Hund. Der fünfeinhalb Monate alte Mischling und sein Herrchen Christoph Habersam stehen auf einer Wiese neben dem Eislaufplatz in Tulln.
Vor ihnen am Boden liegt eine Jacke, an der Lou bald ausgiebig schnüffeln wird. Kurz wird er von einem Radfahrer abgelenkt, ehe er seine Aufmerksamkeit wieder auf den Gegenstand auf dem Boden richtet.
„Das üben wir noch“, sagt Habersam. Das Duo befindet sich noch am Anfang von Lous Ausbildung zum Personenspürhund bei den Rettungshunden Niederösterreich.
Der ehrenamtliche Verein bildet neben Flächensuchhunden, die menschliche Witterung wahrnehmen, auch sogenannte Mantrailer aus. Vier derart spezialisierte Tiere sind aktuell im Einsatz, fünf befinden sich in Ausbildung.
Wenn Menschen vermisst werden, können diese Rettungshunde kostenlos angefordert werden. Das Besondere: Sie können den Geruch eines bestimmten Menschen im Stadtgebiet verfolgen.
„Jeder Mensch verliert beim Gehen Geruchspartikel“, erklärt Stefan Tucek, stellvertretender Geschäftsführer der Rettungshunde Niederösterreich. Diese Partikel kann der Hund riechen und der Spur folgen.
Die Hautschuppen, bzw. Geruchspartikel, die ein Mensch verliert, steigen aufgrund der Körperwärme auf. Nach dem Auskühlen sinken sie ab und werden vom Wind verweht bzw. angeweht. Diesen Geruchsspuren folgt der Mantrailer. Im Gegensatz dazu folgt der Fährtenhund den Bodenverletzungen und dem menschlichen Geruch, weshalb er genau den Fußspuren folgt. Da die Geruchspartikeln nicht nur auf Gras, sondern auch auf Asphalt haften, eignen sich Mantrailer für den Einsatz im Stadtgebiet.
Dazu muss er an einem Gegenstand oder an einem Kleidungsstück riechen, das die vermisste Person zuvor getragen oder berührt hat.
Dafür reicht sogar ein simples Papiertaschentuch, wie Weimaraner-Hündin Grey und Frauchen Karin Matschek eindrucksvoll vorführen.
Das Taschentuch hat Tucek zuvor zur Verfügung gestellt, ehe er durch die Wiese davon ging, um sich hinter einem Goldregen-Busch zu verstecken. Zielstrebig führt die Hündin Matschek vorbei am Tullner Hallenbad auf einen Treppelweg.
Grey ist im Gegensatz zu Lou schon ein alter Hase. Seit eineinhalb Jahren trainieren die beiden. Bei dem Busch angekommen, muss sie nicht lange schnüffeln, ehe sie Tucek entdeckt.
Auch Hündin June von Geschäftsführerin und Trainerin Karin Kuhn kann beim Training die vermisste Person in Kürze aufspüren. Dabei kreist die Hündin diese ein, ehe sie diese auch in einem Busch findet. Durch pendeln, bellen oder hinlegen sollen die Tiere ihren menschlichen Begleitern Bescheid geben.
Zufrieden ist auch Chris Wolf, Polizei-Diensthundeausbildner aus Florida, der die nö. Rettungshunde seit sechs Jahren regelmäßig trainiert. Der Experte hat 18 Jahre lang Erfahrung im Ausbilden von Spür- sowie Verteidgungshunden für die amerikanische Polizei.
Je frischer die Spur, desto besser die Voraussetzungen für den Hund. „Wir haben aber auch schon nach 24 Stunden gesucht, wenn die Wetterlage passt“, sagt Tucek.
Grundsätzlich werden die Hunde trainiert, immer der frischesten Geruchsspur zu folgen. „Da liegt aber die Schwierigkeit“, sagt Trainerin Karin Kuhn. Denn der tägliche Weg zur Busstation etwa trage deutlich mehr Geruchsspuren. Hier brauche es viel Übung.
Zum Einsatz kommen die Mantrailer der Rettungshunde NÖ bereits seit 15 Jahren. Häufig wird nach dementen Personen gesucht, die den Weg nicht mehr nach Hause finden. Doch auch nach Verkehrsunfällen, bei denen Lenker vermisst werden, wurden die Experten schon alarmiert. Im Vorjahr wurden die Hunde zu 47 Personensuchen gerufen.
Welcher Hund Mantrailer werden kann und was der Mensch damit zu tun hat
Die Ausbildung zum Mantrailer kann jeder Hund samt Herrchen oder Frauchen absolvieren. Wobei Jagdhunde von ihrer Konditionierung her die besseren Voraussetzungen mitbringen würden, erklärt Kuhn. Doch auch der Mensch muss sich eignen. „Das braucht viel Zeit und Engagement. Da bleibt nicht viel Freizeit“, sagt Trainerin Karin Kuhn.
Allein im Vorjahr wurden 10.000 Trainingsstunden absolviert. Rund drei Jahre dauert die Ausbildung für Hunde und Hundeführer bei den Rettungshunden NÖ. Wobei ein bis zwei Mal pro Woche im Team trainiert wird. Mantrailer bekommen dann zudem noch Hausaufgaben mit. „Man muss auch privat an der Kondition und dem Gehorsam arbeiten“, sagt Kuhn.
Der Hundeführer hingegen muss die Sprache seines Tieres lernen, um zu erkennen, wann es die Spur verloren und wieder aufgenommen hat.
Nicht immer finden die Hunde die Vermissten. Doch selbst dann können sie zumindest eine Richtung vorgeben und Gebiete eingrenzen, an denen andere Einsatzkräfte wie Feuerwehr oder Polizei weitersuchen. Tucek berichtet von einem Fall, wo der Hund der Spur eines Vermissten bis zu einer U-Bahn folgen konnte. Die Polizei konnte daraufhin die Überwachungsvideos auswerten.
„Lou, bist du bereit?“
Nachwuchs-Mantrailer Lou hat inzwischen an der Jacke gerochen und saust los. Habersam hält ihn an der Leine und marschiert im Laufschritt hinterher.
Da Geruchspartikel auf Gras besser haften bleiben als auf Beton, führt die Trainingsroute des Nachwuchs-Spürhundes über die Wiese. Nach rund 200 Metern hat Lou die Besitzerin der Jacke gefunden. „Gut gemacht“, lobt Habersam.