Chronik/Niederösterreich

"Unser Kulturerbe erhalten"

Die Kellergasse ist der Inbegriff des Weinviertels", sagt Winzer Karl Neustifter aus dem niederösterreichischen Poysdorf. Der Erdkeller, wie er im Weinviertel genannt wird, galt bis vor 100 Jahren als Lagerplatz für sämtliche Lebensmittel. Vor einem halben Jahrhundert hatte jeder Winzer noch drei, vier Keller, um den Wein zu lagern, erinnert sich der 52-jährige. Seither haben Kellergassen allerdings etwas an Bedeutung verloren.

Einerseits wurden große Kühlhäuser errichtet, die bequemer zu befahren sind und größere Weinmengen lagern können. Andererseits wurde die Produktion komplett mechanisch reguliert. Die Reben wurden dafür weiter auseinander gesetzt, damit man auch mit dem Traktor durchfahren kann. Neue Landmaschinen, die das Säen oder das Anbinden der Triebe übernehmen, kamen auf den Markt. "Man hat hier sicherlich über das Ziel hinaus geschossen", merkt Neustifter kritisch an.

Gegen den Trend

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Seit einigen Jahren tritt er diesem Trend aber entgegen. Vor 15 Jahren nutzte er das hügelige Gelände hinter dem Betrieb und grub einen 100 Meter langen Keller in die Erde. "Die Temperatur ist das ganze Jahr konstant, das sind optimale Bedingungen", sagt der Winzer. Die Investitionen in den Keller haben sich längst wieder amortisiert. Heute lagern dort sämtliche Rotweinsorten in den alten Holzfässern sowie die weißen Qualitätsweine.

Die Qualität seiner Ware liegt dem Winzer am Herzen. 2007 setzte er sich zum Ziel, einen langlebigen Wein zu produzieren. Die Gäste wollen immer nur einen Jungwein, ärgert sich Neustifter, "obwohl der ältere Wein ja nicht schlecht ist". Hinter dem Betrieb wurde deshalb eine eigene Stockkultur großgezogen. Die Reben wurden wieder enger zusammengesetzt. De Wurzeln haben dadurch weniger Platz und müssen tiefer in das Erdreich eindringen. "Dadurch nimmt die Pflanze mehr Nährstoffe aus dem Boden auf", erklärt der 52-Jährige. Zudem züchtete man die Trauben nicht auf Schulterhöhe, sondern ließ die Trauben am Boden wachsen, der mehr Wärme abgibt. Auf Spritzmittel wird ebenfalls verzichtet, stattdessen wird Kompost als Düngemittel verwendet. Das erhoffte Resultat: Der Wein soll auch in 30 Jahren noch genießbar sein. Mit der Aufnahme in den Salon, bei dem die besten 200 Weine Österreichs vertreten sind, gab es für das Experiment aber bereits die erste Auszeichnung.

Export-Boom

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In den vergangenen Jahren ist dadurch auch der Verkauf in andere Bundesländer sowie ins Ausland gestiegen. Die günstige Verkehrslage direkt neben der Brünnerstraße trägt ihren Teil dazu bei. "Erst vorige Woche sind fünf Brasilianer vorbeigekommen und haben Wein gekauft." Beim Aufbau des Kundenstocks ist Neustifter allerdings einen unkonventionellen Weg gegangen. Über Kärnten, Oberösterreich und Salzburg hat er seinen Vertrieb in Österreich aufgebaut. "Wien war damals einfach stark umkämpft, das hätte wenig Sinn gemacht."

Um bei den Gästen heute zu bestehen, muss man jedoch Kreativität zeigen. "Nur einen Doppler Wein anzubieten reicht sicherlich nicht mehr aus", ist sich Neustifter bewusst. Die Besucher wollen immer öfter etwas erleben. Seit heuer können die Gäste deshalb auf besondere Weise in die Weinwelt eintauchen. Führungen durch die über 100-jährige Geschichte des Weinguts sollen den Traubensaft von einer anderen Seite präsentieren.

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Direkt vor der Kellertür führt auch der Weinviertler Jakobsweg durch die Kellergasse vorbei. Die Wanderer können sich auf dem "Rastplatzl" erholen. Der Keller ist Tag und Nacht geöffnet, die Gäste können sich bei den Weinen frei bedienen. Das große Geschäft macht er damit zwar nicht. "Aber wenn jemand vorbeikommt, freut er sich über eine Erfrischung." Zudem will Neustifter damit auch die Tradition der Kellergassen erhalten. "Das ist schließlich unser Kulturerbe."