Tattoo als Corpus Delicti vor Gericht
Von Victoria Schmidt
Die Verhandlung am Dienstag im Wiener Neustädter Landesgericht mutete kurios an. 16 Vorstrafen wegen Körperverletzung, gefährlicher Drohung und Nötigung hat der 38-jährige Angeklagte vorzuweisen. Vor Gericht stand er dieses Mal aber wegen des Vorwurfs der Wiederbetätigung. Zum Verhängnis wurde ihm ein pikantes Tattoo mit NS-Symbolik, das seinen Bauch ziert. Aufgefallen war das, weil der 38-Jährige ein Foto des tätowierten Schriftzuges „Blood 88 Honour“ (Blut 88 Ehre, Anm.) samt Totenkopf und eisernem Kreuz als Profilbild auf seiner Facebook-Seite verwendet hatte. Er rechtfertigte sich: „Ich habe nie einen Bezug zum Thema gehabt, ich habe mir nichts dabei gedacht.“ Das Motiv habe ihm gefallen, die Bedeutung habe er bis zum Verfahren nicht gekannt. Englisch verstehe er nicht – und auch ein Besuch des Verfassungsschutzes vor einigen Jahren habe ihn nichts Derartiges vermuten lassen.
Gesinnungsfrage
Entstanden sei das Tattoo vor Jahren in der Justizanstalt Hirtenberg, wo der 38-Jährige eine seiner Haftstrafen absaß. Ein Mithäftling habe es ihm gestochen. „Alle meine Tattoos sind in Haft entstanden“, erklärte er.
Die Staatsanwaltschaft legte ihm auch zur Last, Fotos mit NS-Symbolik verbreitet zu haben. Das bestritt der Angeklagte. Pflichtverteidiger Christian Hajos verwies darauf, dass auch bei der Hausdurchsuchung nichts gefunden wurde.
Die Geschworenen hatten letztlich die Frage zu klären, ob der Beschuldigte nationalsozialistische Gesinnung aufweise oder ein einfach gestrickter Mensch sei, wie Hajos formulierte. Mit acht zu null stimmten sie schließlich für einen Freispruch. Das Urteil ist nicht rechtskräftig.
Für den 38-jährigen Mann heißt es unterdessen auf einen neuen Prozesstermin warten – er wird nämlich in einer weiteren Strafsache als Beschuldigter geführt.