Streit um Wiese: Wiener fühlt sich enteignet
Von Jürgen Zahrl
Ein juristischer Streit um einen Grenzverlauf trübt seit Wochen die frische Nachbarschaft zweier Grundstücksbesitzer nahe Sallingberg, Bezirk Zwettl. Der Eigentümer eines kleinen Bauernhauses aus Wien fühlt sich enteignet, weil das Bezirksgericht dem Nachbarn ein kleines Stück Wiese zugesprochen hat. Die juristische Begründung: Der Nachbar habe den Grundstücksstreifen durch jahrelange Bewirtschaftung ersessen.
Der Wiener, der namentlich nicht genannt werden will, geht in Berufung, weil er sich vom Zwettler Bezirksgericht nicht richtig verstanden fühlt. "Das ist auch eine Möglichkeit, Eigentum zu erwerben. Wozu ein Grundstück um viel Geld kaufen, wenn man es ’ermähen’ kann?", ärgert sich der Wiener.
Urteil
Er ist sauer, weil er laut Urteilsspruch keinen Anspruch auf eine rund 35 Quadratmeter große Wiesenfläche hat, obwohl im Grundbuch der Grenzverlauf ersichtlich sei. In der Gerichtsverhandlung berief sich der Wiener auf den Auszug der digitalen Katastralmappe, die zeigt, dass der schmale Wiesenstreifen, um die gestritten wird, eindeutig ihm gehöre. "Ich habe das Grundstück gutgläubig erworben", betonte er im Gespräch mit dem KURIER. Der Grenzverlauf sei ihm noch konkret vom Vorbesitzer erklärt worden. Einige Monate später habe er bemerkt, dass auf "seinem Grundstück" gemäht werde. Als er einen Zaun entlang der Grundstücksgrenze aufstellen wollte, sei es zu einer Besitzstörungsklage und einem juristischen Nachspiel gekommen.
Jahrelang
Sein Nachbar Kurt Reischer kontert und betont, dass die strittige Wiese sein Eigentum sei. "Seit mehr als 40 Jahren bewirtschaften und mähen wir dieses Grundstück. Seither ist auch klar, dass die Wiese zu uns gehört", betont der Pensionist. Auch Zeugen hätten vor dem Bezirksrichter ausgesagt, dass es diese Naturgrenze schon seit Jahren gibt. "Der Käufer kann sich nicht auf guten Glauben berufen, weil er und sein Vorbesitzer schon beim Abschluss des Kaufvertrags im Frühjahr definitiv wussten, dass bis zur Naturgrenze gemäht wird", schildert Reischer dem KURIER.
Das sieht der Bezirksrichter ähnlich. Ein Vertrauen auf die digitale Katastralmappe sei zu verneinen, weil darin keine rechtlich verbindlichen Grenzen wiedergegeben werden. Zudem werde die Grundbuchmappe seit etlichen Jahren, zumal sie aufgelassen wurde, nicht mehr fortgeführt. "Rechtlich verbindlich und bedeutsam sind nach der Judikatur lediglich die in der Natur vorhandenen bzw. faktisch gepflogenen Grenzen", heißt es.