Sesselrücken in St. Pröllten
Von Matthias Hofer
Die Traisen wird wohl noch länger die Spaßgrenze in St. Pölten bleiben. In der ÖVP-Zentrale war am Montag – dem Wahlergebnis entsprechend – gelöste Stimmung angesagt. Anders jenseits des Flusses: Obwohl am Sonntag nicht gefeiert worden war, herrschte bei der SPÖ Katerstimmung. Ernste Gesichter, leise Töne und der zweite angesagte Neustart innerhalb von fünf Jahren. Die Genossen haben einen ihrer Erfolgreichsten einstimmig mit der Parteiführung betraut: Hauptstadtbürgermeister Matthias Stadler.
„Mich wird es nach dem 3. März auch noch geben“, hatte der bisherige SPÖ-Chef Sepp Leitner vier Tage vor der Wahl zum KURIER gesagt. Es gibt ihn noch – allerdings nicht mehr in der Landespolitik. Leitner war noch am Sonntagabend von allen Ämtern zurück getreten. Von seinen Parteifreunden verabschiedete er sich am Montagvormittag via eMail – Stunden bevor sein Rückzug vom Landesparteivorstand formell abgesegnet wurde. Er habe sich „dazu entschlossen, den Weg für einen Neustart unserer Bewegung freizumachen“.
Ein Neustart mit Stadler also. Der 47-Jährige gilt bereits seit längerer Zeit als Zukunftshoffnung der SPNÖ. Bereits 2008 war er als Nachfolger für die damals gescheiterte Heidemaria Onodi im Gespräch (siehe „Zur Person“). Stadler übernimmt die SPÖ auf historischem Tiefstand.
Bürgermeister
Seit 2004 ist Matthias Stadler Bürgermeister in St. Pölten. Und das wird er auch als Landesparteichef bleiben. Einen Wechsel in die Landesregierung schließt er aus: „Ich bin meinen St. Pöltnern im Wort.“ Dazu kommt Parteitaktik: Stadler ist der einzige Garant für eine stabile Mehrheit in der roten Hochburg. Würde er in die Landesregierung wechseln, müsste er den Bürgermeisterjob aufgeben – so verlangt es das Landesrecht. Und die SPÖ testet mit der Entscheidung für Stadler eine neue Strategie im Umgang mit der ÖVP. 2008 war man wegen des Kuschelkurses beim Wähler durchgefallen (minus 8 Prozent). Am Sonntag wurde der angriffige Kurs Sepp Leitners nicht goutiert. Jetzt ein Mittelweg: Stadler hat beste Beziehungen zu Erwin Pröll, muss diese aber nun nicht als SPÖ-Regierungsmitglied gefährden.
Erste Aufgabe des neuen SPÖ-Chefs: Er muss einen roten Landeshauptmann-Stellvertreter und ein weiteres Regierungsmitglied auswählen. Das will er in Ruhe tun. Fix ist aber schon jetzt, dass die innerparteilich favorisierte, derzeitige Frauenministerin Gabriele Heinisch-Hosek nicht aus Wien an die Traisen wechselt.
Ich hoffe, dass er mit Intelligenz agiert und nicht auf bloße Zurufe aus Kanada“, sagte Erwin Pröll Sonntagabend zum möglichen Wechsel von Ernest Gabmann jun. in die Landesregierung. Das Comeback eines Ernest Gabmann wird nun aber nicht stattfinden.
Nach einem Meeting mit Parteichef Frank Stronach wurde am Montag Elisabeth Kaufmann-Bruckberger für den Landesratsposten nominiert. Sie selbst hatte sich am Sonntag noch als Klubobfrau ins Gespräch gebracht. Die Führung der fünf Mandatare soll nun der frühere Rechnungshof-Beamte Walter Laki übernehmen. Der hatte im Wahlkampf mit rauen Tönnen Richtung ÖVP in Zusammenhang mit den Veranlagungsgeschäften des Landes aufhorchen lassen.
Für Gabmann – er hatte als Listenzweiter kandidiert – bleibt nun nur noch der Posten als einfacher Landtagsmandatar. Stronach begründete die personellen Entscheidungen damit, dass Laki über mehr Erfahrung verfüge. Er schätze aber auch Gabmann sehr, dieser sei noch sehr jung und könne „vielleicht in fünf Jahren Landeshauptmann“ werden. Zunächst werde er sich aber um die Vorbereitung des Nationalratswahlkampfes in Niederösterreich kümmern, sagte Gabmann.
Ernest Gabmann senior hatte es seinerzeit zum Landeshauptmann-Stellvertreter und Wirtschaftslandesrat gebracht. 2009 wechselte er in den Flughafen-Vorstand, musste die Position aber Ende 2011, nach schweren Vorwürfen gegen ihn, räumen. Zur Polit-Karriere seines Sohnes äußerte sich Gabmann senior am Montag nicht.
Eigentlich wollte er Geschichte schreiben: „Ich glaube, dass dieser Tag in die Geschichte Österreichs – und auch in die Geschichte der Welt – eingehen wird“, hatte Frank Stronach anlässlich seiner Parteigründung im September 2012 befunden. Fünf Monate später ist Stronach mit seinem Team in der politischen Realität angekommen. Bei der Landtagswahl in Kärnten hat seine Partei laut SORA 10,6 Prozent, bei jener in Niederösterreich 11,2 Prozentpunkte erreicht.
Auch wenn die Hochrechnungen in Kärnten bis zu 15 Prozent prophezeiten, gibt sich Stronachs dortiger Spitzenkandidat, Gerhard Köfer, zufrieden: „Ich bin mehr als erfreut. Wir haben so ein Resultat erhofft, aber nicht erwarten dürfen. Mit vier Mandaten haben wir aus dem Stand den Klubstatus geschafft.“ Zwei Mal brandete unter den rund 100 Anwesenden im Klagenfurter Hotel Sandwirth Jubel auf: einmal bei der Verkündung des eigenen Ergebnisses, einmal bei den herben Verlusten für die FPK von Gerhard Dörfler. Auch einen Regierungssitz hat Stronachs Truppe nach einigem Zittern geschafft – ob Köfer selbst dort Platz nimmt, ist noch offen.
Wermutstropfen
Einen Regierungssitz hat das Team Stronach auch in Niederösterreich erobert. Spitzenkandidat Frank Stronach war zwar angekündigt, ließ sich bis 17 Uhr bei der Wahlparty im Austria Trend Hotel in St. Pölten aber nicht blicken. Sein dortiger Spitzenkandidat Ernest Gabmann zeigte sich im KURIER-Gespräch aber „sehr glücklich“: „Wir haben versucht, für uns die richtige Linie zu finden – und haben sie offenbar gefunden, wie der starke Wähler-Zuspruch zeigt.“
Auch die Nationalratsabgeordnete Elisabeth Kaufmann-Bruckberger, offiziell Nummer drei auf der Landesliste, war „überwältigt“. Mit diesem Erfolg habe sie nicht gerechnet. Als Wermutstropfen bezeichnet sie, dass man nicht geschafft habe, die Absolute von Erwin Pröll in Niederösterreich zu brechen: „Wir haben gehofft, dass die Demokratie in Niederösterreich wieder eine Heimat findet.“
Frank Stronach kommentierte die Ergebnisse vorerst nicht, sein Klubobmann Robert Lugar qualifizierte die Landtagswahlresultate im KURIER-Gespräch als „sensationell“: „Und wenn wir uns die Niederösterreich-Ergebnisse ansehen, können wir auch bundesweit jedenfalls mit mindestens 12 Prozent rechnen.“
Weniger euphorisch waren die Polit-Experten. „Für den Aufwand, den Stronach in Kärnten betrieben hat, ist das eher ein mediokres Ergebnis“, meinte etwa Polit-Berater Thomas Hofer auf ATV. Und SORA-Meinungsforscher Günther Ogris sieht ihn vor allem im Teich der FPÖ fischen: „Die Stimmen kommen großteils vom dritten Lager.“ Stronach habe besonders bei jungen Männern gepunktet: „Das waren klar Proteststimmen.“