Ruf nach mehr Pflege wird lauter
Von Matthias Hofer
Etwa 500 Liegenschaften in Niederösterreich waren bis zuletzt durch einen wesentlichen Vermerk im Grundbuch belastet. Die Folge jahrzehntelanger gelebter Praxis: Pflegeheimbewohner, deren Einnahmen – etwa Pension oder Pflegegeld – die Kosten der Betreuung nicht deckten, mussten ihr Privatvermögen abgeben. In vielen Fällen wurden auch deren Immobilien belastet, das Land ließ sich ins Grundbuch eintragen. Seit Jänner 2018 ist der Regress abgeschafft, auf das Vermögen der Betreuten darf nicht mehr zugriffen werden. Zahlreiche Betroffene stehen nun vor der Problematik, den entsprechenden Grundbucheintrag löschen zu lassen.
In NÖ hat man sich nun auf eine einheitlich Vorgehensweise geeinigt. Eigentümer der Liegenschaften wenden sich an die zuständige Bezirkshauptmannschaft. Dort werden die weiteren Schritte veranlasst, allenfalls ist anschließend noch ein Gang zum Bezirksgericht notwendig. „Wichtig ist zu betonen, dass die Löschung nicht automatisch erfolgt“, sagt ÖVP-Sozialsprecher Toni Erber. „Das müssen die Eigentürmer selbst veranlassen.“
Mehr Heimplätze
Nach gut einem Jahr sind nun die Auswirkungen der Abschaffung des Pflegeregresses in NÖ zu beziffern. Die Anmeldungen für Pflegeheimplätze sind um 40 Prozent gestiegen. Noch ist die Nachfrage zu bewältigen, hieß es zuletzt von Soziallandesrätin Christiane Teschl-Hofmeister. Länger als drei Wochen wartet kaum jemand auf einen Heimplatz.
Allerdings musste das Land seit Ende des Regresses auch Mehrkosten von 60 Millionen Euro bewältigen. Noch nicht eingerechnet die Kosten für etwaige zusätzliche Heimplätze.
Und künftig werden wohl noch mehr Pflegebetten benötigt. Zwar liegen die endgültigen Prognosen noch nicht im Detail vor, VP-Landesmanager Bernhard Ebner hat aber bereits erste Zahlen am Schreibtisch. „Derzeit gibt es in Niederösterreich rund 90.000 Bezieher von Pflegegeld. Im Jahr 2025 rechnen wir mit bis zu 108.000“, sagt er. Und bis 2050 könnten es laut aktueller Schätzung bereits 180.000 pflegebedürftige Niederösterreicher sein.
Das stellt die politisch Verantwortlichen vor eine Reihe von Problemen. Entscheidend ist nicht nur, dass Heimbetreuung die teuerste Pflegevariante ist und damit Länderbudgets schwer belasten wird. Zwei Drittel der Pflegegeldbezieher werden heute innerhalb der eigenen Familie betreut. Ein Umstand, der aufgrund kleiner werdender und räumlich immer mehr verstreuter Familien nicht zu halten sein wird.
Neben der mobilen Pflege, die aktuell von 18 Prozent der Pflegebedürftigen genutzt wird, wird auch der Bedarf an 24-Stunden-Betreuung steigen. Etwa 9000 Familien beschäftigen aktuell rund 20.000 Rund-um-die-Uhr-Kräfte. Längst ist es nicht mehr nur – vorwiegend weibliches – Personal aus Nachbarländern wie der Slowakei. Aus Kostengründen sind vor allem Betreuerinnen aus Rumänien derzeit sehr gefragt.
Auch die Landespolitik überlegt, noch stärker auf die Hilfe ausländischer Kräfte zu setzen. Sie sollen, geht es nach dem Vorschlag von Toni Erber, vor allem im betreuten Wohnen eingesetzt werden. Aktuell ist das nicht möglich. Laut Gesetz darf eine 24-Stunden-Betreuerin nur für eine Klientenfamilie tätig sein. Erber setzt deshalb auf den für das Frühjahr von der Bundesregierung angekündigten Pflegegipfel, um das Problem zu lösen.
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