Nicht einmal ein Bett zum Schlafen
Von Peter Gruber
Neue Kleidung? Purer Luxus. Gesunde Ernährung? Zu teuer. Mitunter bleibt sogar das eigene Bett oder ein wohlig warmes Zimmer Wunschdenken. 313.000 Kinder und Jugendliche unter 19 Jahren sind in Österreich armutsgefährdet, 127.000 davon gelten als akut arm. "Oft glauben uns die Menschen ja gar nicht, dass es das gibt. Dass in Österreich Kinder praktisch auf dem Boden schlafen", sagt Erich Fenninger, Bundesgeschäftsführer der Volkshilfe.
Die Folgen sind vielfältig. Von schlechten Zähnen bis Übergewicht. Von mangelnden sozialer Isolation zu Chancenarmut – Musikunterricht, Sportverein oder Nachhilfe sind schlicht unerschwinglich. Nur 29 Prozent der Kinder aus armutsgefährdeten Haushalten besuchen eine Höhere Schule.
Projekte
Die Abwicklung der Spenden erfolgt dabei über die Kinder- und Jugendhilfe der Stadt. Um die Zielsicherheit zu erhöhen. Das Projekt hat Fenninger auch beim Städtebund vorgestellt – mehrere Gemeinden aus Kärnten und der Steiermark haben Interesse bekundet. "Es gibt viel positive Resonanz – auch auf höchster politischer Ebene", meint Fenninger. Kritischer Nachsatz: "Gleichzeitig müssen wir für die Erforschung des Themas in die eigene Tasche greifen."
Katrin Kampichler hat eine klare Vorstellung von Luxus. „Einkaufen gehen und nicht bei jedem Produkt auf den Preis schauen müssen.“ Die 30-Jährige ist arbeitslos, mit ihrem Sohn (8) lebt sie von 1200 Euro im Monat – 420 gehen für die Miete drauf. Sie hat weniger als 60 Prozent des Medianeinkommens; per Definition ist sie damit armutsgefährdet.
Kampichler und ihr Sohn gehören zu den 160 Familien, die in den letzten Monaten vom Projekt „Kinderzukunft“ der Volkshilfe und der Stadt Wr. Neustadt in NÖ profitiert haben. „Großartig, dass es die gibt“, meint sie. Ein Regal für das Kinderzimmer hat Kampichler bekommen. Eine Kleinigkeit – scheinbar. Für einen Ersatz der völlig durchgesessenen Couch steht sie auf der Warteliste. Auch einen Schreibtisch soll ihr Sohn bald bekommen. „Früher habe ich mich geschämt, wenn ich um Hilfe gebeten habe. Heute wissen die Leute, die mich kennen Bescheid – die anderen sind mir egal.“
Sie geht offen mit ihrer Geschichte um. Der Job bei einer Fast-Food-Kette, durch den sie ihren Sohn gar nicht mehr gesehen habe. Die Zeit im Frauenhaus, in das sie aus der Wohnung ihrer Mutter, mit der es häufig Streit gab, geflüchtet ist. Das Ringen um Alimente für den Buben.
Derzeit absolviert Kampichler eine Gärtnerausbildung. „Wenn ich einen Job finde, können wir uns vielleicht etwas mehr leisten. Mein Sohn soll es besser haben.“ Eine Chance ist auch der Gedanke hinter „Kinderzukunft“, wie Dagmar Fenninger-Bucher von der Neustädter Kinder- und Jugendhilfe erklärt: „Die einzige Hoffnung der Kinder ist oft, nicht arbeitslos zu werden wie der Vater oder der große Bruder. ‚Ich will studieren‘ oder ‚vielleicht werde ich Arzt‘ – so etwas hören wir gar nicht mehr.“
Über 50.000 Euro an Spenden hat die Aktion seit März 2014 lukriert, rund die Hälfte wurde bisher wieder ausbezahlt. Hinzu kommen 1500 Sachspenden, für die die Stadt eine Lagerhalle zur Verfügung gestellt hat – von Spielsachen über Kleider bis zu ganzen Zimmereinrichtungen.