Nationalpark-Chef Manzano: „Natur hat zu niedrigen Stellenwert“
Von Katharina Zach
22 Jahre lang war Carl Manzano Direktor des Nationalparks Donau-Auen. Vor seinem Ruhestand Ende Jänner sprach er mit dem KURIER über die Zukunft der Auen, Erfolge, Misserfolge und Umweltschutz.
Welche Prognose geben Sie dem Nationalpark?
Carl Manzano: Eine gute. Es ist meine feste Überzeugung, dass der Nationalpark eine Selbstverständlichkeit ist und niemand daran denkt, dort wieder ein Kraftwerk zu bauen. Man muss sich bewusst sein, dass wir ganz besondere Rahmenbedingungen haben. Wir sind ein schmales Band in einer intensiven Siedlungs- und Agrarlandschaft, die sich noch dazu in den vergangenen 20 Jahren sehr dynamisch entwickelt hat und sich weiter entwickeln wird. Das heißt, wir haben Siedlungsdruck, wir haben Infrastrukturprojekte und gerade angesichts dieser Entwicklung ist die Nationalparkwidmung besonders wichtig.
Was braucht der Park noch?
Was sicher große Sorgen macht, sind die großen Gewässer in der Unteren Lobau. Da müsste etwas geschehen. Aber so lange dort Trinkwasser ohne Aufbereitung gewonnen wird, sind notwendige Projekte schwer umzusetzen. Wenn man dort die Gewässer reaktivieren wollte, könnte das Auswirkungen auf die Grundwasserbrunnen haben und das schafft eine Unsicherheit. Eine andere Sache, die auch übergeordnet gelöst werden muss: Wir haben derzeit eine Rechtslage, die dazu führt, dass ältere Bäume neben den Wegen aus meiner Sicht viel zu schnell entfernt werden, was eigentlich dem Nationalpark Gedanken widerspricht. Wir können entweder die Leute aussperren oder die Bäume umschneiden. Und das ist nicht befriedigend. Was in Zukunft noch mehr gemacht werden sollte, ist die Arbeit mit Schülern. Das ist aber eine Frage der Finanzierung, weil wir von den Schülern nicht wirklich kostendeckende Beiträge verlangen können.
Was war Ihr größter Erfolg?
Das kann ich gar nicht so auf eine Sache reduzieren. Ich glaube, in den allerersten Jahren war der erste Managementplan ganz wichtig. Da gab es so große Ängste und so viel Ablehnung. Diese Angst, ausgesperrt zu werden und die Frage, wie es mit der Fischerei und dem Jagen weitergeht. Da haben wir in den ersten zwei Jahren in intensivem Dialog Regelungen erarbeitet, die bis heute mehr oder weniger unverändert sind.
Aber heute ist der Park willkommen.
Heute gehört er irgendwie dazu. Er war in der Region kein Wunschkind, das ist ganz klar. Jetzt ist dieses Kind halbwegs erwachsen und man kann, glaub ich, ganz gut mit ihm leben.
Gab es Enttäuschungen?
Die größte Enttäuschung war das Scheitern des flussbaulichen Gesamtprojekts (siehe rechts). Wobei ich das jetzt mit einer relativen Gelassenheit sehen kann, weil sich die Dinge danach positiv entwickelt haben.
Sie waren auch bei der Aubesetzung dabei. Wie hat das Sie und ihre Karriere geprägt?
Die Aubesetzung hat meine berufliche Karriere ganz entscheidend bestimmt. Ich war danach im Jahr 1985 ja Schriftführer der Ökologiekommission. Wir haben in diesem Jahr ein erstes wirkliches Konzept erarbeitet für den Nationalpark. Eines, das heute noch im Wesentlichen stimmt. Und ich war dann Geschäftsführer der ersten Nationalpark-Planung, bin in die Region gekommen und habe dann im Distelverein (Naturschutzverein, Anm.) gearbeitet.
Reicht der Naturschutz rund um Wien aus?
Der Schutz des Nationalparks, betrifft ja nur das unmittelbare Gebiet selber. Wir haben null Einfluss auf die Entwicklung im Umland, auch nicht, was in einer gewissen Höhe passiert. Etwa beim Flugverkehr, der ständig mehr wird. Da gibt es keinen Schutz. Das ist ja ein bisschen das Problem der Nationalparks, dass sie in gewisser Weise eine Insel sind. Das heißt, dass es auch für den Nationalpark sehr wichtig ist, dass die Qualität der Landschaft, die Lebensqualität in der Region trotz dieser rasanten Entwicklung erhalten bleibt.
Wird dafür genug getan?
Da gibt es noch einen gewissen Nachholbedarf. In Summe denke ich, dass der Wert der Nationalparks gesichert ist, dass aber außerhalb des Nationalparks die Qualitäten von Natur und Landschaft einen viel zu geringen Stellenwert haben.
Wie sehen Sie die Umweltpolitik der aktuellen Regierung?
Wir haben in den vergangenen 20 Jahren für die Nationalparks gute Rahmenbedingungen gehabt, dafür bin ich dankbar. Dass aber generell der Stellenwert der Umwelt auch in der Politik eigentlich nicht stärker, sondern schwächer geworden ist, ist für mich eine besorgniserregende Entwicklung.
Was sind nun Ihre Pläne in der Pension?
Ich habe keine großen Pläne, weil es für mich eine neue Situation sein wird, auf die ich mich erst einlassen möchte. Es ist ein neues Abenteuer mit ungewissem Ausgang. Ich habe einfach das Gefühl, es ist die richtige Zeit hier aufzuhören und offen zu sein für viele andere Dinge. Ich werde, das glaub ich, jetzt mehr draußen sein, als ich es in den vergangenen Jahren war.
Zur Person: Carl Manzano
Geboren wurde Carl Manzano 1953 in Wien. 1974 begann Manzano das Studium der Biologie und Erdwissenschaften an der Uni Wien. 1980 war er ein Jahr lang als AHS-Lehrer tätig, ehe er ein Studium der Politikwissenschaften am Institut für Höhere Studien aufnahm. 1983/84 war er an der Boku und am IHS beschäftigt. Im Dezember 1984 war Manzano bei der Besetzung der Hainburger Au dabei. Ab da brachte er seine Expertise für die Gründung des Nationalparks ein. Er war 1985 Schriftführer der Ökologiekommission, 1986 Generalsekretär des Forums Österreichischer Wissenschaftler für Umweltschutz. 1987/88 wurde er Chef der Nationalparkplanung, ehe er bis ’95 den Naturschutzverein „Distelverein“ in NÖ leitete. Mit 1. Jänner 1997 wurde er zum Chef des neuen Nationalparks Donau-Auen bestellt.