Chronik/Niederösterreich

Matura manipuliert: Lehrer wartet auf Anklage

30 Jahre war Dieter B. als strenger, fast peinlich genauer Lehrer bekannt – irgendwie passend zu seinen Fächern Mathematik, Physik und Informatik. Seit der Zentralmatura 2015 ist dieses Image dahin: Weil er vier Mathematik-Arbeiten am Militär-Realgymnasium (MilRG) in Wiener Neustadt manipuliert haben soll, ist B. seit vergangenen Mai suspendiert. Bei gekürzten Bezügen wartet er auf seine Anklage. Die Staatsanwaltschaft ermittelt, das Disziplinarverfahren ruht solange. Dieter B. wirkt, als würde er neun Monate nach dem Matura-Termin, in denen er zum Nichtstun gezwungen war, einen Prozess herbeisehnen: "Das Schlimmste ist die Ungewissheit."

Ungewissheit

Seinen Fehler räumt der erfahrene Pädagoge ein. Den Ermittlungsergebnissen der Polizei zufolge hat er bei drei Arbeiten Korrekturen vorgenommen: Etwa ein Wort weggestrichen oder einen Buchstaben in einer Funktion überschrieben. Für ihn handelte es sich um "offensichtlich Gedankenfehler der Schüler".

Einer Schülerin ließ er am Tag nach der Mathe-Matura eine kleine Ergänzung an ihrer Arbeit vornehmen. "Da hab’ ich mich hinreißen lassen", meint der 57-Jährige.

Die Ungewissheit wird ihn freilich noch länger begleiten: Erst zogen sich die polizeilichen Ermittlungen in die Länge, da die betroffenen Schüler teilweise nicht zu Vernehmungsterminen erschienen waren. Jetzt hat die Staatsanwaltschaft Wiener Neustadt den Akt nach Eisenstadt übermittelt, weil auch ein Schüler aus dem Burgenland als Beschuldigter geführt wird. "Ich erwarte aber, dass der Akt wieder nach Wiener Neustadt kommt", meint Anwalt Viktor Strebinger. Er rechnet zwar mit einer Anklage – bis es so weit ist, könnte aber schon der nächste Matura-Termin vor der Tür stehen.

Psychische Belastung

"Fakt ist, dass es kein abgekartetes Spiel und kein groß angelegter Betrug war", sagt Anwalt Strebinger. Er weist auf die besonderen Umstände des Falles hin. So habe am MilRG wegen der geplanten Schließung schon monatelang Unruhe geherrscht. Dazu sei die Verunsicherung der Schüler beim ersten Zentralmatura-Termin gekommen. Ein Gutachten bescheinigt dem Pädagogen zudem eine psychologische Ausnahmesituation aufgrund der beruflichen Umstände und nach einem privaten Trauerfall.

Für B. geht es um viel: Bei einer Verurteilung zu einer unbedingten Haftstrafe von sechs Monaten oder bei einer bedingten von einem Jahr würde er seinen Job und den Anspruch auf Beamtenpension verlieren.