Chronik/Niederösterreich

"Fremdenhass gibt es hier nicht"

Tawar Kumnakch ist kein Lehrer. Trotzdem gibt er in der Hauptschule in Litschau, Bezirk Gmünd, Unterricht. Mit weißer Kreide schreibt er ein paar arabische Buchstaben an die Tafel. Obwohl er Zahnarzt ist, nimmt er sich jede Woche Zeit, um 15 Asylwerbern aus Syrien und dem Irak Deutsch beizubringen.

"Integration beginnt eben bei der Sprache", ist der 61-Jährige überzeugt. Daher hat er als gebürtiger Kurde, der vor 45 Jahren selber von Syrien nach Europa geflohen war, freiwillig den ersten Schritt gesetzt. "Nur wenn die Flüchtlinge spüren, willkommen zu sein, gehen sie auf andere zu", weiß Kumnakch, der seit 20 Jahren in Litschau lebt.

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Während in anderen Gemeinden Protestaktionen gegen die Unterbringung von Asylwerbern (siehe auch Zusatzbericht) gestartet werden, bekommt der Fremdenhass in Litschau keine Chance. "Diese Menschen brauchen unsere Hilfe. Denn klar ist, dass keiner freiwillig seine Familie zurücklässt und in ein fremdes Land flüchtet", sagt Bürgermeister Rainer Hirschmann: "Wir haben bewusst ja gesagt, mehreren Asylwerbern ein Zuhause zu geben." Sein Plan: Statt auf Konfrontation zu gehen, steht Gemeinschaft im Vordergrund.

Seit wenigen Wochen gibt es in der 2274-Einwohner-Stadt nicht nur ein modern möbliertes Privatquartier für 15 Asylwerber am Stadtplatz, sondern auch einen eigenen "Stadtrat für hilfsbedürftige Menschen und deren Integration". Dieser soll als Bindeglied zwischen Gemeinde und Fremden tätig sein. "Wenn Asylwerber zu uns kommen, erhalten sie sofort Infos, wie unser Alltag funktioniert und wo sie etwa Hilfe bekommen, wenn es einen Notfall gibt", sagt Asyl-Stadtrat Holzweber. Derzeit arbeitet er gemeinsam mit Bürgermeister Hirschmann an Rahmenbedingungen, damit die Syrer und Iraker auch ein wenig Geld verdienen können. "Wenn sie für uns Minijobs erledigen, muss auch die Unfallversicherung geklärt sein", sagt Holzweber.

Privatinitiativen

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Schon jetzt gibt es Privatinitiativen, um den Flüchtlingen Beschäftigung zu bieten. "Sie können im Fußballverein mittrainieren, sind beim Schachclub willkommen und haben Räder geschenkt bekommen, um mobil zu sein", sagt Bürgermeister Hirschmann. Damit sie sich schon bald auf Deutsch verständigen können, kommt die Nachbarin Julia Federmann jeden Tag zum Üben auf Besuch. "Als Dankeschön sind die Nachbarn schon öfters zum Essen eingeladen worden", weiß Kumnakch, der stolz ist, keinen Fremdenhass zu erleben.

"Wir spüren, dass wir willkommen sind", freut sich der Iraker Ammar Alkafaji. Der 28-Jährige kann sich wie Methm, 25, vorstellen, in der Region zu bleiben. Vorausgesetzt, sie finden einen Job. "Wir haben hier auch schon viele Freunde gefunden", sagt der 25-jährige Iraker.

Heiß diskutiert wird die Unterbringung von Asylwerbern in der 200 Einwohner zählenden Ortschaft Breitensee bei Gmünd. Nicht nur die Hälfte der Bürger lehnt ein Wohnhaus für Flüchtlinge ab, sondern auch die Freiheitlichen wollen das Projekt verhindern.

Wie berichtet, hat ein Unternehmer öffentlich seine Überlegung angesprochen, bis zu 40 Asylwerber in mehreren Wohnungen unterbringen zu wollen. Seither sammeln mehrere Nachbarn Unterschriften gegen das Projekt. „Gleich 123 von den 212 Bewohnern haben sich mittels Unterschrift dagegen ausgesprochen“, schildert Gmünds FPÖ-Bezirksparteiobmann Peter Immervoll. Auch der blaue Kommunalpolitiker will nicht, dass seine Region, die aus seiner Sicht unter Abwanderung und Arbeitslosigkeit leidet, zum „Auffanglager für Asylwerber wird und damit für die verfehlte Asylpolitik büßen muss“, sagt Immervoll.

Für die Gmünder Bürgermeister Helga Rosenmayer (ÖVP) steht fest, dass „wir den armen Menschen helfen müssen.“ Aber auch für sie sind 40 Asylwerber in der 200 Einwohner zählenden Ortschaft Breitensee zu viel. „Keiner hat etwas dageben, wenn ein bis zwei fremde Familien in einem Wohnhaus Platz bekommen“, sagt Rosenmayer. Derzeit sind insgesamt 6500 Asylwerber in NÖ untergebracht.