Chronik/Niederösterreich

Kommission ging 60 Pflegebeschwerden nach

Zwei Bewohner sollen in einem Pflegeheim im Weinviertel von einem inzwischen freigestellten Mitarbeiter vernachlässigt worden sein. In einem anderen Betreuungszentrum im Industrieviertel soll es schwerste hygienische Mängel gegeben haben. Das sind die bisher gröbsten Fälle, die ein neu installiertes Pflegeteam der niederösterreichischen Patientenanwaltschaft seit dem Skandal in einem Heim in Kirchstetten, Bezirk St. Pölten, ans Tageslicht förderte.

"Auch wenn das erst eine Zwischenbilanz ist, zeigt sich, dass mittlerweile viele Leute mit dem Thema Pflege sensibler umgehen und sich schneller bei uns melden", sagt Lisa Haderer, Leiterin der neuen Anlaufstelle für Pflegebeschwerden.

Seit April sind vier neue Mitarbeiter verantwortlich, dass einerseits ein (anonymes) Beschwerde-Management geführt, andererseits "proaktiv und präventiv", wie sie sagen, gehandelt wird, um Behandlungsfehler und Missstände im Umgang mit Bewohnern in den mehr als 100 Pflegeheimen in Niederösterreich aufzuspüren.

Bisher sind fast 60 eingetroffene Meldungen bearbeitet und ungefähr 50 Betreuungszentren – unangekündigt – besucht worden. In zwei Fällen seien Bewohner massiv vernachlässigt worden: Darunter war ein Mann, der alleine kaum gehen konnte und in einem Badezimmer hilflos zurückgelassen wurde. In einem weiteren Fall sollen schwerste Hygieneprobleme in Zimmern und Sanitäreinrichtungen festgestellt worden sein. Daher sei unverzüglich die zuständige Behörde eingeschaltet worden.

Im Fokus der Prüfer stehen generell die Strukturen und Tagesabläufe, wie zum Beispiel Leitung, Hierarchie, Zusammenarbeit innerhalb des Teams, Betreuung und Bewohnerrechte.

Kein Duschen

In vielen Fällen seien Angehörige in die Pflegeabläufe nicht ausreichend einbezogen worden. Der Zeitraum zwischen Abendessen und Frühstück soll oft zu lang gewesen sein. Öfters hätte es auch kein Duschen oder Baden an den Wochenenden gegeben, weil es zu Personalengpässen gekommen sei.

Und immer wieder sei es zu Lücken im pflegefachlichen Wissen gekommen. "Um die Problemfelder in den Griff zu bekommen, liefern wir stets praxisorientierte Empfehlungen. Innerhalb einer festgesetzten Frist erwarten wir eine schriftliche Rückmeldung des Hauses", sagt Haderer. Dass die Sensibilität im Pflegebereich deutlich zugenommen hat, habe sie erst kürzlich wieder erlebt. "Eine Heimhelferschülerin hat mir ein Gedächtnisprotokoll geschickt, aus dem hervorgeht, dass sie Missstände vermutet. Wie man sehen kann, wird das Vertuschen von Vorfällen immer schwieriger", freut sich Haderer.

Auch beim Aufarbeiten des Pflegeskandals in Kirchstetten sind die Heimbetreiber einen erfreulichen Schritt weitergekommen. Als Wiedergutmachung haben die Heimbewohner mehrere Wünsche erfüllt bekommen – wie beispielsweise eine Aromatherapie, einen bezahlten Besuchsdienst oder einen neuen Rollstuhl.