In Kottingbrunn steht eine Siedlung unter Strom
Von Peter Gruber
Die Siedlung steht unter Strom. Buchstäblich. Eine 110.000-Volt-Leitung der Wiener Netze läuft quer über die Rote-Kreuz-Siedlung in Kottingbrunn, Bezirk Baden – seit Jahrzehnten und nach Plänen des Betreibers für Jahrzehnte. Die 1800 Bewohner der Einfamilienhäuschen kämpfen dagegen an. Vehement, aber mit schwindenden Chancen.
"Wir haben ein Leiterseil bestellt, um die aktuellen auszutauschen, die demnächst das Ende ihrer Lebensdauer erreichen", bestätigt Christian Neubauer, Sprecher des Netzbetreibers. Die Anlage wurde 1959 bewilligt, die meisten Häuser kamen danach. Ein Tausch der Seile hieße für die Bewohner rund 60 weitere Jahre unter der Hochspannungsleitung.
Verfahren eingestellt
Alexander Hunyadi von der Aktion Himmelblau, führt das Wort gegen den Stromriesen: "Die Gesundheit der Menschen leidet unter der Leitung." Die Bemühungen der Initiative blieben bisher aber ohne Erfolg.
Einem 104 Seiten starken Bericht des Umweltanalytikers Dietrich Moldan und der Umweltmediziner Michael Kundi und Hans-Peter Hutter, in dem eine Erhöhung gesundheitlicher Risken befürchtet wird, begegnen die Wiener Netze mit dem Hinweis, dass Grenzwerte nicht annähernd erreicht werden.
Auch die Staatsanwaltschaft Wiener Neustadt, die aufgrund einer Sachverhaltsdarstellung ermittelte, kam zum Schluss, dass "eine gültige behördliche Bewilligung vorliegt und die Anlage dem Stand der Technik entspricht". Das Verfahren wurde eingestellt.
Beim Amt der NÖ Landesregierung hat die Gemeinde angeregt, der Anlage wegen der Gesundheitsgefährdung die Bewilligung zu entziehen. Das Verfahren könnte sich noch über Monate ziehen. Die Wiener Netze werden den Ausgang nicht abwarten. "Die Bürger, auf deren Grundstücke Masten stehen, werden jetzt verständigt, dass wir den Seiltausch planen", meint Sprecher Neubauer.
Vom Land hat man die Bestätigung, dazu auch ohne weitere Bewilligung berechtigt zu sein, weil es sich bloß um eine Serviceleistung handelt. Servituten berechtigen die Mitarbeiter, die Grundstücke zu betreten.
Der Kottingbrunner Bürgermeister Christian Macho hofft dennoch auf eine Lösung: "In einem Gespräch vergangene Woche wurde es mir gegenüber so dargestellt, als würde es noch längere Zeit dauern. Wir werden alle Möglichkeiten ausschöpfen, um den Seiltausch zu verhindern."