Entspannung für „Kampfhunde“
Wisper bellt laut, respekteinflößend: Der fünf Jahre alte Dogo Argentino zieht an der Leine, die weiße Hündin ist nervös. Sie ist nur eine von vielen Listenhunden im kleinen Tierheim St. Pölten. Die sogenannten Kampfhunde werden immer mehr.
„Die Zahl der bei uns abgegebenen Listenhunde hat sich vergangenes Jahr verdoppelt“, sagt Obmann Willi Stiowicek. Fünf waren es 2010, 11 waren es 2011, die im Asyl landeten. Das klingt nicht viel. Doch wer will sich schon einen „Listenhund“ nehmen, vielleicht sogar mit einer komplizierten Vergangenheit behaftet? Die Zwinger bleiben besetzt. Da ist St. Pölten keine Ausnahme.
Damit nicht nur die verhaltensauffälligen „Kampfhunde“, sondern auch andere Hunde mit Problemen mit gutem Gewissen vermittelbar sind, hat das Tierheim St. Pölten ein Projekt gestartet: Die international anerkannte Hunde-Verhaltensberaterin Sheila Harper aus England wurde engagiert. Über eineinhalb Jahre hinweg läuft das Ausbildungsprogramm.
Mehrmals im Jahr gibt sie Workshops. Einige sind schon absolviert. „Ich trainiere die Menschen, nicht die Hunde“, sagt Harper und übernimmt Wisper, um Mitarbeitern und den Freiwilligen, die die Hunde spazieren führen, zu zeigen, wie sich Tiere mitteilen.
Der Dogo Argentino geht neben Harper an der Leine. Er wird ruhiger. Sie achtet auf jede Bewegung des Vierbeiners. Ihr Ansatz: „Die Hundehalter müssen die Sprache der Tiere verstehen können.“ Wenn sie auf die Hunde eingehen können, sinkt der Stress und die Resozialisierung wird leichter.
Stress ist eines der großen Probleme in Tierheimen. „Die Hunde sind rausgeschmissen worden, finden sich in einer völlig neuen Situation wieder, mit vielen fremden Hunden“, erklärt Obmann Stiowicek.
Lärmschutz
Deshalb hat Harper auch bauliche Änderungen vorgeschlagen: Es wurden etwa Sichtschutzzäune aufgestellt und Lärmschutz in den Hundehallen installiert. Auch die Öffnungszeiten wurden verkürzt, um den Tieren absolute Ruhezeiten zu ermöglichen. Die Vierbeiner werden zudem in die Routinetätigkeiten des Tierheim-Teams eingebunden, um Fertigkeiten für den Alltag in einem neuen Zuhause zu lernen. Durch die Stressreduktion gebe es bereits viel weniger Krankheiten, sagt Stiowicek.
Wisper versteckt sich jetzt hinter Harper. Dem Dogo Argentino wird es zu viel. Er darf zurück und sich entspannen. „Kampfhunde“ sind auch im Wiener Tierschutzhaus zunehmend ein Problem: Mehr als die Hälfte der 360 Hunde fallen in diese Kategorie. Wobei der Tierschutzverein feststellt: „Kein Hund ist aufgrund seiner Rassenzugehörigkeit gefährlich.“ Das Image der Tiere ist aber ruiniert, ihr Weg ins Tierheim oft vorprogrammiert.
Auch im Wiener Tierschutzhaus werden die „Kämpfer“ mit intensiver Pflege umprogrammiert: Beim Stafford-Rottweiler-Rüde „Spike“ machte nicht nur sein Äußeres und die Ausbildung zum Schutzhund eine Vergabe schwierig. Die Hundetrainerin Sabine Koch hat Spike wieder zu einem freundlichen Tier gemacht. „Jetzt ist er ein Kampf-Schmuser.“ Abgeholt hat ihn trotzdem noch niemand.
Hunde mit „erhöhtem Gefährdungspotenzial“
In Niederösterreich und
Wien sind im Jahr 2010 neue Gesetze zur Hundehaltung in Kraft getreten. Die sogenannten „Listenhunde“ führten im Vorfeld zu vielen Diskussionen.
Als Hunde mit „erhöhtem Gefährdungspotenzial“ stehen in Niederösterreich folgende Hunde auf der Liste: Bullterrier, American Staffordshire Terrier, Staffordshire Bullterrier, Dogo Argentino, Pit-Bull, Bandog, Rottweiler und Tosa Inu. Darunter fallen auch Kreuzungen zwischen und mit diesen Rassen.
Die Hundehalter müssen unter anderem einen Sachkundenachweis erbringen. An öffentlichen Orten dürfen diese Hunde nur mit Leine und Maulkorb geführt werden. Zudem wurde die Hundeabgabe für gelistete Rassen erhöht.
In Wien müssen Besitzer einen „Hundeführschein“ ablegen, wenn sie einen Bullterrier, Staffordshire Bullterrier, American Staffordshire Terrier, Mastino Neapolitano, Mastin Espanol, Fila Brasiliero, Mastiff, Bullmastiff, Tosa Inu, Pit Bull Terrier, Rottweiler oder Dogo Argentino (oder Kreuzungen) halten. Hundehalter, die den Führschein erwerben möchten, müssen das 16. Lebensjahr vollendet haben und dürfen keine einschlägigen Vorstrafen, etwa wegen verschiedener Gewaltdelikte oder Tierquälerei, haben.
Den Hundeführschein muss jeder erwerben, der einen „Listenhund“ im öffentlichen Raum führt. Das heißt, nicht nur der Besitzer selbst, sondern auch Familienmitglieder oder andere, die mit dem Hund spazieren gehen.