Elche im Waldviertel gesichtet
Von Jürgen Zahrl
Das Geräusch war laut und klang ungewöhnlich", erzählt Petra Poiss aus Harmanschlag im Bezirk Gmünd (NÖ). "Ich wollte wissen, woher das kam." Was die 40-jährige Waldviertlerin erblickte, war für sie eine Premiere: Noch nie hatte sie einen Elch in natura gesehen - und schon gar nicht direkt vor ihrer Haustür. Doch seit geraumer Zeit mehren sich diese seltenen Elchsichtungen im Waldviertel. Während sich Wildtierforscher darüber freuen und einen neuen Waldviertler Elchbestand heranwachsen sehen, bereiten die vermehrten Auftritte der Paarhufer den Tierschützern große Sorgen.
Alleine im heurigen Jahr wurden je zwei Elche an drei verschiedenen Waldviertler Plätzen gesichtet. Erst vor wenigen Wochen tappte ein Elch in einem Waldstück bei Gföhl im Bezirk Krems in eine Fotofalle. Nun ließen sie sich im Bezirk Gmünd zwei Mal blicken. Zunächst gelang dem Jäger Artur Hofbauer bei Bad Großpertholz ein Beweisfoto. Nur wenige Tage später tauchten Elche vor dem Haus von Petra Poiss auf.
Angst
Ob der vielen Sichtungen sind die Tierschützer beunruhigt. Sie befürchten, dass Trophäensammler den Elchen bedrohlich auf die Pelle rücken könnten. "Wenn einer erlegt wird, kommt wieder die Ausrede: ,Ich hab' den Elch mit einem Hirschen verwechselt'", sagt Jürgen Faulmann, Jagdexperte bei der Tierschutzorganisation "Vier Pfoten".
So unbegründet ist die Sorge nicht. Manche Kremser erinnern sich noch mit Unbehagen an einen Vorfall vor 16 Jahren. Damals wurde ein 200 Kilo schwerer Jungelch im Gemeindegebiet von Straß bei Krems geschossen. Zwar ist der Elch ein jagdbares Wildgut, doch eine Regelung schont ihn ganzjährig.
Obwohl der Elch in Mitteleuropa seit Langem als ausgestorben gilt, existiert im südlichen Tschechien wieder ein Bestand. Die Anzahl der Paarhufer können die Experten nur schätzen. Die einen sprechen von 30 bis 50, die anderen von 15 bis 20 Tieren.
Jedenfalls entdecken die Elche seit dem Fall des Eisernen Vorhanges wieder eine alte Route ins Waldviertel. Eine fixe Ansiedelung in der Region hält Faulmann für möglich - allerdings nur an ruhigen Stellen wie etwa auf dem Truppenübungsplatz Allentsteig.
Für den Wildtierforscher Johann Nesweda, der im NÖ Landesmuseum tätig ist, sind die vermehrten Sichtungen von Jungelchen ein erster Beweis, dass sich eine eigene, heimische Population bildet. "Es deutet auf einen langsamen Wiederaufbau hin", sagt Nesweda - nachdem sie in den 1990er-Jahren durch behördliche Abschussbefehle nach Tschechien zurückgedrängt worden waren. Nesweda sieht ideale Lebensräume im Waldviertel. "Etwa die Moor-Gegenden rund um Schrems bieten üppige Nahrungsquellen, die der Elch braucht."
An eine Vermarktung als Elchregion denkt im Waldviertel vorerst keiner. Dafür seien die Tiere noch zu selten zu sehen, meinen die Touristiker. Diese Sicherheit kann derzeit nur das NÖ Landesmuseum in St. Pölten bieten. "Bei uns können sich die Gäste einen kapitalen Elch ansehen. Das ausgestopfte Tier hat 1,6 Meter lange Beine", sagt Sprecher Gerhard Hintringer. Wen das Thema interessiert, der findet im Oktober mehr. Denn dann gibt es eine Vitrine im Foyer, wo vieles rund um den Elch gezeigt wird.