Chronik/Niederösterreich

Dörfern geht die Luft aus

Ländlicher Bürger-Schwund macht erfinderisch: Fürs Heiraten und Kinderkriegen vergab die Gemeinde Rappottenstein, Bezirk Zwettl, vor drei Jahren Gratisgrundstücke. Nach dem ersten Neubürger Mario Bauer, 27, war mit dem kuriosen Ansiedelungsprogramm  aber wieder Schluss, weil Sittenwächter protestierten. Auch in St. Leonhard am Hornerwald, Bezirk Krems, verschenkte der Bürgermeister Baugrund-Gutscheine zu je 2000 Euro an Jugendliche.

Allen Lockversuchen zum Trotz leiden die ländlichen Regionen in Wald- und Mostviertel unter eklatantem Bevölkerungsschwund – nur der Wiener Speckgürtel boomt. Während die Bezirke Wien-Umgebung, Korneuburg, Mödling und Gänserndorf rasant zulegen,  verlieren die Bezirke Gmünd, Waidhofen an der Thaya, Horn, Zwettl, Lilienfeld und Scheibbs weiterhin Bürger.

Schlusslicht

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Das nö. Schlusslicht ist mit einem Minus von 16 Prozent Annaberg im Bezirk Lilienfeld  – gefolgt von der Gemeinde Waldkirchen, Bezirk Waidhofen  an der Thaya, nahe der tschechischen Grenze, mit einem Rückgang  von 15 Prozent.

"Wir kämpfen mit der Überalterung und mit einer mageren Infrastruktur", muss Gerhard Braunsteiner, Vizebürgermeister in Waldkirchen, zugeben. Er bedauert, dass seine Gemeinde fast keine Arbeitsplätze mehr zu bieten hat. "Im örtlichen Lagerhaus sind nur noch wenige Mitarbeiter beschäftigt. Es fehlen einfach viele Anreize, um die jungen Bürger im Ort zu halten", sagt Braunsteiner. Das aktuelle Resultat sind Landflucht und leer stehende, teilweise verfallene Häuser – für die Braunsteiner  um Interessenten buhlt: "Die sind  sehr günstig zu haben. Und die  Bausubstanz ist noch voll in Ordnung."

Die Probleme der strukturschwachen Gemeinden kennt Gerlind Weber, Professorin der Wiener Uni für Bodenkultur, genau: "Schwierigkeiten machen weniger die Abwanderungswilligen, die ohnehin schon  in Scharen weg sind, als viel mehr die schlechten Geburtenraten der Vorjahre." Diese Abwärtsspirale lasse sich schwer stoppen. "Auf dem Land gibt es nur mehr wenige junge Bewohner, die auch Nachwuchs bekommen können", sagt Weber. Und selbst die  zeigen sich nicht  sehr willig, Kinder in die Welt zu setzen. Kontraproduktiv sei, die Dörfer  wegen ihrer geringen Einwohnerzahlen ausbluten zu lassen. "Sperren die Schulen, Geschäfte und Wirtshäuser zu, ziehen noch mehr Bürger weg.  Die Infrastruktur muss erhalten bleiben. Alternativen können mobile Dienste sein", fordert Weber.

Gewinner

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Dass es im Waldviertel auch Zuwanderungsgemeinden gibt, beweist die Gemeinde Vitis mit ihrem Bevölkerungsplus. "Hier habe ich vom Arzt bis zum Supermarkt alles,  was ich  brauche", sagt Häuslbauer Thomas Pomaßl. Noch besser schneidet  die Kremser Nachbargemeinde Droß   ab, die mit einem Zuwachs von fast 21 Prozent  der "Waldviertler Zuwanderungskaiser" ist. "Die kurzen Wege nach Krems, St. Pölten und Wien sind unser Plus",  sagt Ortschef Andreas Neuwirth.   Droß  bildet mit anderen Orten mittlerweile einen Mini-Speckgürtel um Krems.