Auch Mädchen als "Sängerknaben"
Von Jürgen Zahrl
Mehr als 500 Jahre waren sie die unangefochtenen musikalischen Stars im Zisterzienserstift Zwettl. Jetzt haben die Sängerknaben im eigenen Haus gleichaltrige Konkurrenz bekommen.
Erstmals in der Geschichte des Männerordens treffen sich nun auch stimmgewaltige Mädchen einmal wöchentlich im so genannten Sängerknaben-Konvikt, um für ihren ersten öffentlichen Auftritt in der prachtvollen Klosterkirche – wahrscheinlich zu Weihnachten – zu proben.
"Rhythmus halten ist ganz wichtig. Nicht schneller werden", fordert Marco Paolacci, während er den Mädchen im Alter von acht bis zehn Jahren Tipps für das korrekte Singen gibt. Spielend bringt er ihnen die Grundkenntnisse näher und versucht mit Einzeltrainings das Können jedes Mädchens zu fördern – und zwar vor den Augen mehrerer Eltern, die als Zuschauer geladen sind.
Seit 1. September ist Paolacci, 28, der neue Chorleiter im Zisterzienserstift Zwettl und hat gleich eine Mammutaufgabe übernommen. Da vor Kurzem viele Jungmusiker bei den Sängerknaben und anderen Chören aufgehört haben, muss der gebürtige Südtiroler und Musikstudent in Wien neue Gesangstalente finden. "Das Wichtigste ist, dass wir gleich wieder mit der Arbeit begonnen haben. Wer Lust hat, kann gern zum Schnuppersingen vorbeikommen", hofft Paolacci auf weitere Sänger – egal ob Mädchen oder Burschen.
Obwohl schon einmal – vor genau elf Jahren – das Aus der Zwettler Sängerknaben drohte, weil der Nachwuchs fehlte, ist diesmal noch lange kein Ende in Sicht. Trotz des schwierigen Neustarts, ist der neue Chorleiter von seinem Konzept überzeugt.
"Ich will neben den Sängerknaben nicht nur einen Mädchenchor etablieren, sondern auch einen Kirchenchor gründen", sagt Paolacci. Er sieht vor allem für die jungen Talente hinter dem Angebot eine tolle Möglichkeit für Persönlichkeitsbildung. Während der 28-Jährige in die Tasten des Klaviers greift und Lieder anstimmt, singen die fünf anwesenden Mädchen – zwei sind krankheitsbedingt entschuldigt – "I like the flowers" und dann "O Jubel, o Freude" vor.
Dass die jungen Damen Spaß haben, ist nicht zu überhören. Sie singen manchmal so kräftig und intensiv, dass Paolacci die Mädchen bremsen muss. "Eine alte dicke Ente geht nicht schnell", singen alle zusammen. Mit Witz und Feingefühl gestaltet Paolacci den Gratisunterricht.www.stift-zwettl.at/kirchenmusik