Chronik/Niederösterreich

Älter, aber länger gesund und mobil

Immigration, inländische Zuwanderung und weniger Geburten als Sterbefälle machen aus Niederösterreich in den nächsten vier Jahrzehnten ein zweigeteiltes Land. Einerseits geht die Entvölkerung im Waldviertel und in Teilen des Mostviertels weiter, andererseits wird die Bewohnerdichte im Wiener "Speckgürtel" immer höher.

Laut Prognose der Statistik Austria wächst Niederösterreich bis 2060 insgesamt um fast 270.000 Menschen. Das bedeutet, dass dann die 1,9 Millionen-Einwohner-Grenze geknackt sein wird. Worauf es im flächenmäßig größten Bundesland Österreichs in Zukunft ankommt, versucht der KURIER in einer Serie zu beleuchten.

Babyboomer

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Niederösterreich wird in den nächsten Jahrzehnten älter. Während die größte Altersgruppe der 20- bis 65-Jährigen ab 2025 schrumpfen wird, wächst die ältere Generation um fast zehn Prozent. "Es macht sich der Babyboom der 1960- und 1970-er Jahre bemerkbar. Diese starke Generation rückt ins höhere Alter nach", sagt Alexander Hanika, Analytiker der Statistik Austria. Er weiß, wie sich dadurch die Bevölkerungsstruktur in NÖ verändern wird. Das Waldviertel verliert weiterhin junge Bürger, zurück bleiben Ältere. "Das wird künftig die größte Herausforderung für das Waldviertel sein", sagt Hanika. Nur die Bezirke Krems und Horn profitieren wegen einer Bahnanbindung am Rande vom Sog der Großstadt Wien.

Boombezirke

Die meisten Boombezirke liegen im Wiener Umland. Den Großteil der jährlich 6000 neuen Niederösterreicher zieht es dorthin, weil sie in Wien arbeiten und am Stadtrand günstiger leben wollen. Da bereits in den angrenzenden Bezirken Klosterneuburg, Wien-Umgebung oder Mödling Baugründe rar und teuer sind, profitieren bald benachbarte wie Tulln und Korneuburg. Starken Zuzug können auch Gänserndorf und Schwechat erwarten, da "Wien über die Seestadt Aspern Richtung NÖ wächst", erklärt Hanika. Die Nähe zu Wien und den Alpen, die boomende Industrie, Autobahn und viele Bildungseinrichtungen machen jedoch Wiener Neustadt zum absoluten Zuwanderungschampion.

Aus Expertensicht sind leistbarer Wohnraum, Verkehr, Jobs und Seniorenbetreuung die entscheidenden Fragen der Zukunft. Dabei müssen neue Vorzeichen berücksichtigt werden. "Wir leben nicht mehr im Industriezeitalter, sondern in einer Dienstleistungsgesellschaft, in der sich die Arbeitszeit im Vergleich zum 20. Jahrhundert halbiert hat", sagt Freizeitforscher Peter Zellmann: "Um auf neue Lebensstile besser eingehen zu können, ist eine stärkere Gemeindepolitik notwendig. Autonome Spielregeln sind wichtig", weil die Situation etwa in Weitra völlig anders sein kann als in Biedermannsdorf. Ein neuer Parameter sind etwa mehr ältere Bürger, die laut Zellmann in Zukunft "länger gesund und mobil bleiben werden."

Multimodularer

Auf dem Land wird das Auto auch künftig eine zentrale Rolle spielen. "Wir werden aber multimodularer unterwegs sein", erklären ÖAMTC-Experten. Als Ergänzung soll es mehr Angebote zwischen Öffis und Privatverkehr geben, etwa Gemeindebusse, Car-Sharing oder Mitfahrgelegenheiten. In der Stadt seien weitere Park-&-Ride-Anlagen als Schnittstellen notwendig, heißt es.

Im Wandel befindet sich auch der Jobmarkt. Schwaches Wirtschaftswachstum, mehr Beschäftigte und mehr Arbeitslose werden "uns heuer und sicher bis 2019 begleiten", sagt AMS-NÖ-Chef Karl Fakler. Er rechnet 2016 mit einer Arbeitslosenquote in NÖ von zirka 9,7 Prozent.