Chronik/Niederösterreich

433 Beschwerden aus 19 Gemeinden

Kurz vor den Gemeinderatswahlen im Jänner begann bei einigen Parteien ein großes Taktieren: "Welche Verwandten, Bekannten oder Parteikollegen melde ich in meinem Ort für einen Zweitwohnsitz an, um eine sichere Stimme zu bekommen?" Ein Umstand, der einerseits die politischen Mitbewerber ärgerte, andererseits die Richter des Landesverwaltungsgerichts an die Grenzen der Kapazitäten gebracht hat.

Im Tätigkeitsbericht für das Jahr 2014 haben die 14 Richter festgehalten, dass die hohe Anzahl an Beschwerden in Bezug auf die Eintragung bzw. Nicht-Eintragung in das Wählerverzeichnis eine besondere Herausforderungen dargestellt hat. Insgesamt waren 433 Beschwerden aus 19 Gemeinden eingegangen (aus einer Gemeinde gab es mehr als 150 Beschwerden). Für deren Erledigung hatten die Bearbeiter zwischen drei bis maximal zehn Tagen Zeit. "Die Grenzen der Leistungsfähigkeit des Gerichtes waren beinahe ausgeschöpft."

Laut nö. Gemeindewahlrecht dürfen Wahlberechtigte nicht nur in einem, sondern auch in zwei oder mehreren Gemeinden einen ordentlichen Wohnsitz haben und somit mehrmals wählen gehen. Der Begriff des ordentlichen Wohnsitzes im Wahlrecht ist aber nicht mit jenem des Melderechts identisch. Laut Gericht sei der Begriff unklar formuliert. Das Vorliegen eines ordentlichen Wohnsitzes ist deshalb immer im Einzelfall zu prüfen.

Klare Kriterien

Die Richter regen deshalb an, gesetzliche Klarstellungen zu prüfen. Vor allem sollten Kriterien definiert werden, unter welchen Voraussetzungen eine Person in einer Gemeinde, in der sie nicht ihren Hauptwohnsitz hat, wahlberechtigt ist. Empfehlenswert wäre, für das Vorliegen einer Wahlberechtigung in der betreffenden Gemeinde Kriterien aufzustellen.

Andernfalls könnten bei den nächsten Wahlen mehrere tausend Beschwerden eingebracht werden: "Das wäre dem Gericht rein faktisch unmöglich, innerhalb der derzeitigen gesetzlichen Entscheidungsfrist abzuwickeln."

Politisch darauf reagiert wurde zumindest mit Ankündigungen. ÖVP-Klubchef Klaus Schneeberger sagt: "Wir haben einen internen Diskussionsprozess darüber gestartet und werden noch in dieser Legislaturperiode entsprechende Beschlüsse fassen." Etwas konkreter wird SPÖ-Klubchef Alfredo Rosenmaier: "Lediglich in einem Ort gemeldet zu sein, wird in Zukunft sicherlich nicht ausreichen können."

Die Grünen fürchten unterdessen, dass die Kritik des Gerichts wieder verhallt. "In naher Zukunft sind keine Wahlen, also wäre die Zeit ideal, gemeinsam für klare Regeln zu sorgen", fordert Grünen-Chefin Madeleine Petrovic. Die FPÖ plädiert indessen dafür, dass künftig nur noch Hauptwohnsitzer zu den Wahlen zugelassen werden sollen.