Chronik

Mädchen schnuppern Redaktionsluft

Sarah Kainz ist 15 Jahre alt und besucht die Hertha Firnberg Schulen in der Donaustadt. Sie hat trotz ihres jungen Alters bereits eine starke Meinung zu vielen Themen und schreckt auch nicht davor zurück, sie kundzutun. Sie möchte einmal Journalistin werden.

Deswegen hat sie zusammen mit sieben weiteren Schülerinnen im Zuge des jährlichen Töchtertages (daran können Mädchen zwischen 11 und 16 Jahren teilnehmen) Einblick in den Redaktionsalltag des KURIER genommen.

Das Highlight des Töchtertages war für Kainz das Treffen mit Chefredakteur Helmut Brandstätter und Familienministerin Sophie Karmasin (ÖVP). Karmasin band die acht Mädchen aktiv in die Diskussion ein – und die Jugendlichen konnten offen ihre Meinung sagen. Besonders heiß wurde das Thema Religion diskutiert.

Ausschlaggebend war die Frage nach dem Kreuz im Klassenzimmer. Dabei war erkennbar, dass nicht nur die Schulen Unterschiede in der Handhabung machen, sondern auch die jungen Frauen teilweise sehr konträre Ansichten haben. "Unsere Direktorin hat sich dagegen gewehrt, dass ein Kreuz in den Klassenraum kommt, der Stadtschulrat hat es aber angeordnet. Seit Ostern hängt es jetzt", sagte Kainz.

Streitthema Anpassung

Amina-Sophie Pauler (15), die in das Gymnasium auf der Schmelz geht, meinte hingegen, dass es bei ihnen in der Schule nie Thema war und bis heute kein Kreuz in den Zimmern hängt. Iman Gusevic (15) besucht das Bundesgymnasium Wien 8. Sie erzählte: "Wir haben eine eigene Schulkapelle und auch ein Kreuz in der Klasse, unsere Direktorin ist aber sehr weltoffen. Meine Deutschlehrerin trägt zum Beispiel ein Kopftuch. Ihre Eltern kommen aus der Türkei, und sie hat sich selbst dazu entschieden, es zu tragen als sie schon erwachsen war."

Annika Schindler (14) besucht die katholische Privatschule De La Salle in Strebersdorf. Manche Lehrer beten in der Früh gemeinsam mit den Schülern, der Religionsunterricht muss besucht werden, das Kreuz ist fixer Bestandteil der Klassen.

Anpassen oder nicht

Ausgehend von der Frage nach dem Kreuz ging die Diskussion weiter, wie mit verschiedenen Bekenntnissen in einem Land umgegangen werden soll. "Wenn wir in ein arabisches Land fahren, müssen wir uns anpassen. Hier sind mehr Christen, das sollte man umgekehrt respektieren", sagte Kainz. "Man kann es mit dem Anpassen aber auch übertreiben. Ein Kopftuch oder eine Kippa zu tragen, sollte immer okay sein", entgegnete Gusevic. "Ich finde aber schon, dass christliche Feiertage eingehalten werden sollten, dass etwa zu dieser Zeit die Ferien sind", sagte Pauler. Einig waren sich die Mädchen beim Thema Rauchen ab 18 Jahren: "Man findet immer jemanden, der einem die Zigaretten kauft."

„Was passiert, wenn wir einmal alle Fragen des Universums beantwortet haben?“ – „Das wird niemals passieren, aber wenn, dann wäre es fad“, sagt Physikerin Fabiola Gianotti zu einer Schülerin.

Gianotti, die Frau, die es im Kernforschungsinstitut CERN erstmals geschafft hat, Protonen zu spalten, schaffte es beim Girls’ Day am Donnerstag im Naturhistorischen Museum auch, einen Saal voller halbwüchsiger Mädchen für Teilchenphysik zu interessieren.

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"Was ist das Higgs-Teilchen?", fragte eine Schülerin. Das Higgs-Teilchen wurde 2012 von CERN entdeckt. "Ist der von CERN entwickelte Teilchenbeschleuniger schlecht für die Umwelt?", fragte eine andere. "Die Medien haben damals berichtet, dass die Welt untergeht, wenn wir das Gerät einschalten. Neun Jahre später sind wir aber noch hier", erklärte Gianotti dazu.
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Die 14-jährige Franziska ging gleich in die Vollen und erkundigte sich bei der CERN-Chefin nach einem Job. Ihr Lieblingsfach ist Mathe, ihr Vorbild ihr Mathelehrer. "Ich würde gerne in die Forschung gehen und danach Lehrerin werden, um mein Wissen anderen beizubringen", sagte die junge Wienerin zu ihren Job-Vorstellungen.

Vizekanzler Reinhold Mitterlehner, als Minister zuständig für Wissenschaft und Vater von zwei Töchtern, war „hingerissen“ ob der klugen Fragen aus dem jungen Publikum. Als eine an ihn gerichtet wurde, musste er lachen. „Haben Sie es jemals bereut, Vizekanzler geworden zu sein?“, wollte ein Mädchen wissen, das offenbar den Koalitionsalltag kennt. „Da könnte ich jetzt lange reden“, sagt Mitterlehner, „aber ja, es is’, wie’s is’. Ich mache den Job gerne.“

An die Mädchen appellierte er, sich „nicht über politische Fragen den Kopf zu zerbrechen“. Lieber sollten sie nach dem Girls’ Day ein naturwissenschaftliches Studium in Erwägung zu ziehen.

Gegen Hass im Netz

Mädchen haben Burschen bei der Matura längst überholt – 2015 lag der Anteil bei 56 Prozent. In den MINT-Fächern (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft, Technik) an den Unis sind aber nur 34 Prozent Frauen.

Um die Männerdomäne Informatik aufzubrechen, lud das Wiener IBM-Zentrum heuer schon zum 17. Mal die Töchter ihrer Mitarbeiter und deren Freundinnen ein. Diesmal produzierten die 11- bis 16-Jährigen Animationsvideos zum Thema Hass im Netz.

Im Video von Theresa und Elena (beide 11) geht es um die Freundinnen Jenny und Julia. Jenny hatte einen Freund - ein Afrikaner. Julia gefiel das gar nicht, also postete sie auf Twitter: "Sch*** Afrikaner." Die Freundinnen sprachen sich daraufhin aus, versöhnten sich. Ende gut, alles gut.

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Ob sie denn schon ähnliche Erfahrungen gemacht haben? "So nicht", sagt Theresa lachend. "Aber ich bin schon beschimpft worden, dass ich dumm bin." Ihr Lösungsansatz: "Ich nehme das nicht ernst. Wer das sagt, ist selber dumm. Außerdem habe ich auch nette Freundinnen."
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Zu Gast bei der Präsentation war Staatssekretärin Muna Duzdar (SPÖ), die im Vorjahr zum Thema Hass im Netz eine Initiative gestartet hatte. Ihr Schlachtruf gegen Gemeinheiten im Internet: "Das brauchen wir uns nicht gefallen lassen."