„Wir sind noch immer völlig fertig und haben Angst“
Von Tamara Gmaschich
Das Einschussloch in der Wand ist verputzt, ein von einer Kugel durchschlagenes Fenster sowie eine Tür sind längst ersetzt. Bei den Familien Ceri und Aldevir sitzt der Schock aber noch tief. „Wir alle sind noch immer völlig fertig und haben Angst“, sagt Ebru Ceri. Angst löst der Vorfall in der Nacht zum 27. November 2012 aus, als der 61-jährige Josef K. Schüsse auf eine Wohnsiedlung in Mattersburg abgefeuert hat – der KURIER hat berichtet. In den Zimmern der benachbarten Parteien schliefen zwei Kinder, an ihren Betten hielten sich die Mütter der Buben auf. Dass niemand verletzt wurde, ist für Nurcan Satilmis „ein Wunder, es hätte Tote geben können“, meint die Freundin der türkischstämmigen Familien. „Und das, weil es angeblich zu laut war.“
Lärm hatte Josef K. nach seiner Verhaftung als Motiv angegeben. Die Frage, die alle Betroffenen beschäftig: „Warum hat er uns dann nicht einfach angezeigt, sondern gleich zur Waffe gegriffen? Da steckt sicher Ausländerfeindlichkeit dahinter“. Davon merkt Azizi Redzep innerhalb der Siedlung nichts. Der Anrainer kennt die Ceris „als ruhige Familie. Natürlich sind Kinder oft laut, aber wo viele Menschen zusammenleben, ist Toleranz nötig, sagt der gebürtige Mazedonier.
Das Motiv der Lärmbelästigung bezweifelt auch Rechtsanwalt Mirsad Musliu von der Wiener Kanzlei Rast: „Es ist für mich unglaublich, dass sich der Beschuldigte gestört gefühlt hat, er wohnt ja im ersten Stock, die beiden Parteien im dritten. Warum hat sich niemand aus dem zweiten Stockwerk beschwert?“, wundert sich Musliu. Der Jurist tritt beim Prozess gegen Josef K. morgen, Freitag, im Landesgericht Eisenstadt als Privatbeteiligtenvertreter der Familien auf. Musliu werde 1000 Euro je Partei fordern – „eine symbolische Summe. Sollten Gutachten gesundheitliche Schäden belegen, werden wir eine Klage einbringen.“ Beinahe alle Betroffenen seien in psychologischer Behandlung.„Mein Klient ist voll geständig und sieht ein, dass es Blödsinn war, sagt Willibald Stampf, Anwalt von Josef K. Er nehme die Verantwortung auf sich. Einem Gutachten und Stampf zufolge sei K. „voll zurechnungsfähig“. Denkzettel Er wollte den Nachbarn einen Denkzettel verpassen. Stampf glaubt, dass sein Klient mit „einer relativ angemessenen milden Strafe“ – das Strafmaß bei Verurteilung ist sechs Monate bis 5 Jahre – davonkomme. Ein Freispruch wäre vermessen. Die Ceris und Aldevirs hoffen indes, dass der 61-Jährige „nicht bereits nach sechs Monaten wieder freikommt und andere, wegen der geringen Strafe, so etwas nachahmen“. An Schmerzensgeld möchte man „im Moment gar nicht denken, wir wollen nur wieder klarkommen“.