Prozess gegen Hanfbäuerin: Zweifel an Ermittlerin
Von Nihad Amara
Andrea B., 46, wollte der Beweis sein, dass die Hanf-Branche nicht mehr schmuddelig ist. Sie ist Start-up-Gründerin und Landwirtin. Auf Feldern und in Gewächshäusern gedeihen ihre Stecklinge, die sie im burgenländischen Gols in ihrer "Hanfstation" verkauft und über ihren Online-Shop verschickt.
Der Anbau von Setzlingen boomt – und ist ins Visier der Justiz geraten. Zum großen Schlag gegen B. und ihre Geschäftspartnerin holt die Eisenstädter Staatsanwaltschaft aus.
Die Branche wähnte sich lange in Rechtssicherheit. Die Höchstrichter befanden den Verkauf von Hanf-Pflanzen, die keine THC-hältigen Blüten tragen, stets für legal.
Der Grat zur Illegalität ist aber schmal. Geht es nach dem Staatsanwalt, dann hat ihn B. überschritten. Sie hätte ihre Kunden auch beraten, wie man illegale Rauchware produziert. Beide streiten das vehement ab und betonen gebetsmühlenartig, dass man sich abgesichert habe: Jeder Käufer willige ein, mit den "Zierpflanzen" keine strafrechtlich relevanten Handlungen zu setzen.
Trotz des monströsen Verfahrens inklusive Lauschangriff, Observationen und Hausdurchsuchungen ist die Anklage ins Stocken geraten. Von 180 befragten Käufern blieben drei als Zeugen übrig, die von einer Beratung berichteten. Eine widerrief ihre Aussage, eine zweite verwechselte die Angeklagten. Übrig bleibt der Trumpf der Anklage: eine verdeckte Ermittlerin, die Pflanzen erwarb – angeblich samt Beratung. Doch ihr Auftritt vor Gericht hinterließ Zweifel. Jetzt liegt ein aussagepsychologisches Gutachten vor, das B.s Anwalt Philipp Wolm für seine Mandantin anfertigen ließ. Fazit des Psychologen Burkhard Schade: Die "Glaubhaftigkeit" der Ermittlerin muss "uneingeschränkt verneint werden".
Zur Beratung gedrängt
Der Gutachter studierte die Antworten der Ermittlerin. Auffällig war, wie hartnäckig sie auf eine strafrechtlich relevante Beratung "insistierte". Der Einsatz, schreibt er, hätte nur dazu gedient, fertige Annahmen zu bestätigen. Letztlich hätte die Fahnderin die Tipps, die gerade ein Blühen verhindern, "einseitig missverstanden".
Bis jetzt blieb offen, ob auch B. überhaupt für das Verhalten ihrer Kunden haftet? Der Linzer Strafrechtsprofessor Alois Birklbauer verneint das. Das verstoße gegen das "Autonomieprinzip" der Rechtsordnung, schreibt der Strafrechtler in einem Gutachten, dass er für die Angeklagte erstellt hat. Den Vorwurf hält Birklbauer für unhaltbar, denn B. habe sich mit ihren Warn-Hinweisen klar "distanziert". Es fehle der Vorsatz. Wolm hat im Verfahren einen Vergleich parat: "Ist das strafbar, dann dürften auch keine Waffen verkauft werden."
Wie weit verbreitet der Verkauf von Hanf als Zierpflanze ist, musste auch der Staatsanwalt zähneknirschend hinnehmen. In der Anklage berichtete er, dass der größte Zierpflanzen-Markt Österreichs sie nicht im Sortiment habe. Dort ließ Wolm aber Stauden kaufen, die Rechnung steckte er dem Ankläger zu. Letzterer will nicht nur B.s Pflanzen, sondern das Shop-Inventar und 400.000 Euro einziehen.
Der Ankläger selbst wurde wegen Amtsmissbrauch angezeigt. Erstattet hat sie B.s Ex-Mann, im Beruf Verfassungsschutzbeamter, dessen Geld der Staatsanwalt eingefroren hat.
Dass B. 188 Gramm Cannabis bei sich hatte, gibt sie zu und begründet es mit "wissenschaftlichen Zwecken". Ob ihr die Bestätigung einer Uni hilft, ist fraglich. Am Montag wird der Prozess fortgesetzt.