Chronik/Burgenland

„ Jungmediziner werden frustriert“

Nach 32 Jahren ärztlicher Tätigkeit in Mattersburg verbunden mit den Alltagsarbeiten und Organisationen als Mutter und Ehefrau kann Gerti Winhofer, Genderreferentin der Burgenländischen Ärztekammer (ÄK), so einiges erzählen.

Freier Berufszugang, Ansehen, gutes Einkommen und Freiberuflichkeit sowie die selbstverständliche Anerkennung der Expertise durch die Politik seien früher der Motor für Ärzte gewesen, „um die psychische und körperliche Belastung, den ständigen Umgang mit Leid und Tod in unserem Beruf zu akzeptieren“, sagt Winhofer: „Heute werden Jungmediziner vom ersten Tag an frustriert.“

Sie glaubt zu wissen, wo der Hund begraben liegt: Gelange man nach teuren Vorbereitungstests, „die absolut nichts mit dem Arztsein zu tun haben“, überhaupt zum Medizinstudium, dann würden bereits die ersten Praxismonate die Realität zeigen.

Politik gefordert

„Man hält es ja nicht für möglich“, sagt Winhofer im KURIER Gespräch, „steigende Dokumentation wird verlangt, die praktische Ausbildung wird weniger, aber dafür wird Verantwortung in den Nachtdiensten gefordert, bedingt durch ein falsches Zugeständnis der Verantwortlichen an die Politik und Spitalsträger.“

Und weil Gerti Winhofer in der ÄK für Gendermeinungen ihre Ansprüche stellt, meint sie noch zusätzlich: „Nicht zu vergessen, dass heute 60 Prozent der Jungmediziner weiblich sind und andere psychosomatisch orientierte, ganzheitliche Arbeitsweisen wollen. Ebenso fordern sie zurecht ihr Anrecht auf Familie, Kinder und Zeit zum Leben. Besonders Frauen werden aber Steine in den Weg gelegt.“ Sie selbst merkt es in der Kurie. „Wenn ich mich so umschaue, sitzen neben mir eigentlich nur zwei Frauen. Der Rest, das sind Männer.“

Dauerstress

Dazu kämen lange Dienste bei Allgemeinmedizinern, oft bei Wochenenddiensten von Freitagfrüh bis Montag 17 Uhr. „Neben körperlicher Erschöpfung, psychosomatischen Problemen und psychischem Dauerstress ergibt sich auch wenig Zeit für sich selbst und die Familie“, sagt Winhofer, Mutter dreier Kinder. Ärztinnen haben laut Umfragen nur 30 bis 60 Minuten pro Tag für sich. Auch der Praxisalltag sei erfüllt von permanenter Dokumentation, ständig neuen Auflagen. Das ärztliche Gespräch würde nicht mehr bezahlt werden. „Ein Weg, den viele nicht mehr mitgehen wollen und die Kassen kündigen.“

Umdenken nötig

Gendermainstreaming und ein enormes Umdenken bei Politik und Standesführung seien notwendig, um den Beruf Arzt / Ärztin bis zur Pension mit voller Energie ausüben zu können. Das würden laut Winhofer auch immer mehr Männer erkennen. Dazu kommt die generelle Ausbildung der Frauen, die kaum mehr als Ordinationsassistentinnen in die Gemeinden mitziehen und eben selbst berufstätig bleiben wollen. Denn: „Nur Ärztinnen mit ’mens sana in corpore sano’ (ein gesunder Geist in einem gesunden Körper, Anm.), sind gute Ärztinnen.“