Verdächtig dreckige Fingernägel
Von Georg Gesellmann
Langweilig wird den 30 Beamten der „Polizeiinspektion Nickelsdorf AGM“ (steht für Ausgleichsmaßnahmen) nicht. Mit der Grenzöffnung stieg das Verkehrsaufkommen von rund 15 Millionen Reisenden im Jahre 1999 auf etwa 40 Millionen im Jahr 2011. Dass unter diesen Millionen Schwarze Schafe dabei sind, lässt sich erahnen.
„Eigentlich ist es ein Fass ohne Boden“, sagt Chefinspektor Josef Kinzel, der seit 2004 an dieser Grenzstelle stationiert ist. Selbst dann, wenn Wahrnehmungen illegaler Geschäfte immer weniger werden. „Das hängt aber damit zusammen, dass die Straftäter wissen, dass in Nickelsdorf sehr oft und genau kontrolliert wird. Sie weichen auf andere Grenzübergänge aus.“ Wenn man so will: Anerkennung von der Gegenseite.
Mindestens zwei Stunden täglich stehen die Kollegen auf der Straße und bilden einen Trichter. Entweder direkt vor dem Grenzübergang in Nickelsdorf oder an zwei Kontrollpunkten an der A4. Alleine im vergangenen Jahr wurden insgesamt 688 Personen festgenommen und 47 Fahrzeuge im Wert von 470.000 Euro beschlagnahmt.
Dass die Polizisten der PI-Nickelsdorf AGM derart erfolgreich sind, hängt von mehreren Faktoren ab. „Meine Kollegen haben sich in den vergangenen Jahren ein gewisses Täterprofil ausgearbeitet“, sagt Kinzel. Wenn ein Lenker mit schmutzigen Fingernägeln in einem Porsche daherkommt, dann werde dieser Lenker unter die Lupe genommen. „Und in den meisten Fällen stellt sich heraus, dass das Auto gestohlen ist“, erzählt der Chefinspektor. Die meisten Fahndungserfolge werden in der Zeit zwischen 4 und 7 Uhr erzielt. Die Straftaten finden eben in der Nacht statt und danach will man das Diebesgut außer Landes schaffen.
Wichtig, so Kinzel, sei es auch ein Zeitdiagramm zu erstellen. Kommt es zu einem größeren Diebstahl in der Schweiz etwa, werden die Nickelsdorfer darüber informiert. Die Beamten im Burgenland rechnen sich aus, wie lange man von Bern nach Nickelsdorf braucht. „Und dann kommt es zu einer Schwerpunktkontrolle“, sagt Kinzel.
Buntmetall-Diebstähle
Ein zukunftsträchtiges Geschäft für Kriminelle sind Buntmetall-Diebstähle, die in letzter Zeit „stark zunehmen“. Auch mit Schleppern haben die Beamten viel zu tun. Die arbeiten mit vielen Tricks. Beispiel: Schlepper mieten im Grenzbereich ein Taxi, setzen illegale Grenzgänger ins Fahrzeug und schicken den Lenker mit seinen Kunden über die Grenze. Dadurch können sie ungehindert die Grenze passieren, weil Taxis Personen transportieren dürfen und nicht verpflichtet sind, nach deren Absicht zu fragen. Die Schlepper fahren dem Taxi hinterher und übernehmen ihr „Klientel“ im Landesinneren.
Mit 30 Polizisten ist die Grenzkontrollstelle Nickelsdorf unterbesetzt. Mehr Mitarbeiter wären erwünscht. „Das ist höhere Personalpolitik“, sagt Chefinspektor Josef Kinzel, setzt sich seine Dienstkappe auf und geht in die Kälte hinaus.
Die Polizei in Nickelsdorf muss immer wieder mit gefährlichen Situationen umgehen.
Die Nerven verlor ein Pkw-Lenker bei einer Kontrolle am Grenzübergang. Der Fahrer fühlte sich ungerecht behandelt, stieg aus dem Wagen, nahm einen Baseballschläger und wollte auf den Beamten einschlagen. Nur durch eine blitzartige Reaktion konnte dieser verhindern, dass er am Kopf getroffen wurde. Es kam zu einer Rangelei, wobei sich Täter und Opfer verletzten.
Es war wieder im Zuge einer so genannten Trichterfahndung, als Polizisten am 7. November 2011 auf der A4 bei Nickelsdorf einen 39-jährigen ungarischen Lenker anhielten. Als dieser die Dokumente nicht ausfolgen wollte, griff ein Beamter durch das offene Seitenfenster in das Fahrzeug, wollte den Zündschlüssel und den Motor abstellen. Der Fahrer stieg aufs Gas. Der Fahnder blieb mit der Armbanduhr am Lenkrad hängen und wurde mitgeschleift. Er zog sich schwere Schürfwunden zu.