Einheit des guten Geschmacks
Leithaprodersdorf hat ein Dorfwirtshaus der besonderen Art. Beim Frühschoppen am Sonntag nach der Kirche ist die Hölle los. Sieht man die durchgestylte Inneneinrichtung der "Schneiderei", würde man kaum glauben, dass sich die Kirchgänger der 1200-Seelen-Gemeinde nach der Heiligen Messe im hippen Concept Store treffen. Aber sie tun es doch.
"Sonntags stehen die Männer in zwei Reihen an der Bar und trinken Bier, Spritzer oder ein Achterl Wein. Die Damen sitzen an den auslandenden Tischen und trinken Kaffee. Wenn die Suppe und das Schnitzerl fürs Mittagessen zu Hause schon vorgekocht wurden, gönnen sie sich auch mal ein Glas Prosecco", erzählt Wirtin Tamara Blümel.Abseits vom Frühschoppen sei das Publikum bunt gemischt, "zu uns kommt jeder, auch die Arbeiter in Latzhosen", sagt Blümel. Trotz der Größe des Lokals, drinnen gibt es 60 Sitzplätze, im Garten sind es 30, herrscht eine gemütliche Wohnzimmer-Atmosphäre. Neben dem Gastraum geht es ein wenig geschäftiger zu. Es wird geschnitten, gefärbt, geföhnt und gestylt. Hausherr Egon Blümel und seine Stylisten kümmern sich im Friseurstudio der "Schneiderei" um das körperliche Wohlbefinden der Kunden. Sowohl Gäste als auch Unternehmer profitieren von dieser geschmackvollen Symbiose. Viele verbinden den Friseurbesuch mit einem Frühstück oder Mittagessen.
Die Blümels haben mit dem Lokal ihren Lebenstraum im August des Vorjahres Realität werden lassen. Seither findet man das Paar fast rund um die Uhr an ihrem Arbeitsplatz.
Gebäude neu belebt
Das Haus samt Friseurstudio befindet sich im ehemaligen Kirchenwirt. Nachdem sich die Betreiber in die Pension verabschiedet hatten, nahmen sich Tamara und Egon Blümel dem Wirtshaus an. "Es war ein mutiger Schritt. Lange darf man aber nicht darüber nachdenken, denn man stellt es sich viel leichter vor als es ist", erzählt Blümel von den täglichen Herausforderungen. Derzeit steht die 39-jährige Mutter selbst hinter dem Herd, kreiert und kocht "lässige und ehrliche Gerichte", wie sie sagt. Auf Regionalität wird Wert gelegt, trotzdem dürfen auch Garnelen oder andere exotische Schmankerl auf der Speisekarte stehen. Als Ausgleich wird dann ein deftiger Schweinsbraten, der stundenlang im selbst gebauten Holzofen geschmort wurde, serviert.
Eine Haube zu erkochen, ist nicht das Ziel des Unternehmer-Paares. Sie wollen ihren Gästen lieber ein Wohlfühlambiente mit bodenständigen Speisen und Preisen bieten, erklärt die Wirtin. "Wenn man bei uns hereinkommt, soll man sich gleich wie im Urlaub fühlen und mit allen Sinnen genießen. Auch wenn es nur für eine halbe Stunde ist."
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