"Diese Aussagen sind letztklassig"
Von Heike Kroemer
Das darf doch alles nicht wahr sein. Da gibt es ein eindeutiges Gutachten, das bestätigt, dass die Geburt meiner Tochter nicht lege artis durchgeführt wurde und die zuständige Hebamme darf seit viereinhalb Jahren ihren Dienst versehen als wäre nichts geschehen", Daniela Haselbacher platzt der Kragen.
Wie der KURIER berichtet hat, brachte die junge Frau am 21. Februar 2008 im Oberwarter Krankenhaus ihre Tochter Anna zur Welt. Das Mädchen musste sofort nach der Geburt reanimiert werden und ist seither ein schwerer Pflegefall. Die Eltern der heute viereinhalb-jährigen Anna erheben daher seit Jahren schwere Vorwürfe gegen das behandelnde medizinische Personal auf der Geburtenstation und Mutter Daniela kämpft vor Gericht um die Rechte ihrer Tochter.
Zwei Gerichtsgutachten bestätigen nun medizinische Fehler bei der Geburtsleitung. Nach zähem juristischen Ringen zeichnet sich nun eine Ende in dem Rechtsstreit in Bezug auf das Schmerzens- und Pflegegeld ab. "Ich gehe davon aus, dass es Ende dieses Jahres, aber spätestens Anfang 2013 zu einem Urteil kommt. Und ich bin felsenfest davon überzeugt, dass es zu unseren Gunsten ausfallen wird", sagt Gabor Maraszto, Anwalt von Familie Haselbacher. Die beklagte Partei, der Krankenhauserhalter Krages habe keine weiteren Anträge mehr eingebracht.
Für Daniela Haselbacher ist die Sache damit aber nicht erledigt. "Ich erwarte mir, dass es für die Verantwortlichen Konsequenzen gibt. Alle putzen sich ab und wollen mit der Sache nichts zu tun haben", sagt die Burgenländerin, die auch nicht verstehen kann, warum sich der Aufsichtsrat der Krages erst vor wenigen Wochen mit der Causa befasst hat. Immerhin sei Landesrat Peter Rezar AR-Vorsitzender und kenne den Fall. Rezar hat sich in der Causa Haselbacher bisher aber nicht zu Wort gemeldet "und wird es auch nicht tun. Es handelt sich hierbei um eine Versicherungs- und Krankenanstaltengeschichte", heißt es aus seinem Büro mit dem Verweis, sich an Krages-Chef Hannes Frech zu wenden. Dieser meint zu möglichen Konsequenzen für die Hebamme: "Zum einen reagieren wir nicht auf Zurufe von Dritten. Zum anderen handelt sich um ein laufendes Verfahren und es gibt auch andere Gutachten. Sollte es Konsequenzen geben, werden wir die sicher nicht in der Öffentlichkeit spielen." Und Frech fragt: "Hat es in Ihrer Zeitung gleich Konsequenzen für einen Mitarbeiter, nur weil eine Entgegnung veröffentlicht werden muss?"
Daniela Haselbacher ist über diese Äußerungen entsetzt. "Ich bin in den vergangenen Jahren oft durch die emotionale Hölle gegangen. Aber so letztklassige Äußerungen im Bezug auf meine kleine Tochter habe ich noch nie gehört. Wie kann man ein Kind, das ein schwerer Pflegefall ist, auf eine Stufe mit einer Entgegnung stellen?", fragt sich die Mutter, wie ein Mann, der solche frechen Aussagen treffe, im Sozialbereich tätig sein kann.
Chronologie: Ein langer, zermürbender Kampf für die Mutter
Am 21. Februar 2008 begibt sich Daniela Haselbacher gegen 0.30 Uhr mit ihrem Lebensgefährten ins Oberwarter Spital. Sie hat starke Blutungen und Schmerzen. Erst knapp acht Stunden nach ihrer Aufnahme wird sie vom Oberarzt untersucht und verlangt einen Kaiserschnitt. Man erklärt ihr, dass eine Geburt nun mal schmerzvoll sei und sie keinen Kaiserschnitt benötige. Wertvolle Stunden vergehen, bis Anna um 13.59 Uhr geboren wird.
Der Säugling scheint leblos und muss sofort wiederbelebt werden. Auch der Zustand der Kindesmutter ist schlecht. Als Anna sechs Monate alt ist, erfährt Daniela von einem Kinderarzt wie schwer die Beeinträchtigungen von Anna sind. Die Mutter entschließt sich zur Klage. Das Gericht gibt zwei Gutachten in Auftrag. Der gynäkologische Sachverständige sieht schwere Fehler in der Geburtsleitung, diese sei nicht lege artis, also nicht an den üblichen medizinischen Standards, durchgeführt worden.
"Spätestens um 12.18 Uhr war das CTG so hoch pathologisch, dass ein Blick auf den CTG-Streifen die Indikation zum Kaiserschnitt nach sich gezogen hätte. Wenn zu diesem Zeitpunkt der Kaiserschnitt gemacht worden wäre, wäre mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit (...) damit auch der Schaden für das Kind ausgeblieben", liest Daniela aus dem Gutachten vor. Anna könnte heute ein gesundes Mädchen sein, sagt der Sachverständige.
Und auch der Zweitgutachter, ein Neonatologe, folgt dem Erstgutachten. Er kommt zu dem Schluss: "Für mich ist das der Hinweis, dass sich dieser fetale Notzustand über Stunden angebahnt und schlussendlich zum katastrophalen Ereignis der Geburt und einem beinahe toten Neugeborenen geführt hat", zitiert die Mutter aus dem neonatologischen Gutachten und hofft, dass der Fall bald im Sinne von Anna ein Ende findet.