Chronik/Burgenland

Die glorreichen Zeiten sind vorbei

Die Ostseite des Neusiedler Sees steckt touristisch in der Krise. Dass Podersdorf eine florierende Gemeinde sei, das könne man schon lange nicht mehr sagen. "Wir haben sicher einen Umsatzrückgang von zehn Prozent", sagt Barbara Karner vom Seerestaurant und Hotel Haus Attila in Podersdorf. Während der Woche sei "überhaupt" nichts los. Am Wochenende sei die Frequenz ganz gut. "Und das in der Hauptsaison?"

Barbara Karner glaubt die Gründe zu wissen: "Es sind veraltete Strukturen. Ich hab’ das Gefühl, dass man den Gast zu wenig hofiert, sondern reglementiert". Es gebe keine Badegäste mehr in dem Sinn, sondern die Touristen wollen etwas erleben, ihren Spaß haben. Sie spielt auf die Antipathien gegen die Kitesurfer an. "Das sind nette Leute, bringen Geld in die Region."

Freiheitsgefühl

Kitesurfer Helmut Chlebecek kommt seit vielen Jahren nach Podersdorf. Er fühlt sich hier – noch – wohl. "Doch die Zeiten haben sich geändert", sagt der 42-jährige Salzburger, der in Wien lebt und heute Hochzeit macht im Seerestaurant. "Wenn ich jemanden am Ufer sehe, der ein Fernglas oder einen Fotoapparat in der Hand hält, dann fühl ich mich beobachtet. Diese Leute sind darauf aus, uns zu kriminalisieren." Es dauert nicht lange bis eine Anzeige ins Haus flattert. Das ist deshalb möglich, weil nach einer seit kurzem in Kraft getretenen Verordnung, jeder Kitesurfer ein Nummernschild tragen muss (der KURIER berichtete). "Das Gefühl der Freiheit, die einem der See ja doch gibt, ist stark eingeschränkt".

Wettervorhersage

Die Segel- und Surfschule in Weiden kann sich ebenfalls nicht unbedingt über steigende Umsätze freuen. Hier liegen laut Gunnar Kreindl die Gründe aber woanders: Die Wettervorhersage sei Schuld. "Wir haben hier ein pannonisches Klima, und das wird bei keinem Wetterbericht berücksichtigt. Es werden keine Unterschiede gemacht, doch das Leithagebirge ist eine Wetterscheide. Es regnet in Wien und in Weiden haben wir Sonnenschein. Das weiß aber niemand in Wien", sagt Kreindl. Nicht nur die Wettervorhersage trage ihr Schärflein zum Rückgang bei. Auch die Segel- und Surf-Wochen von Schulen hätten nachgelassen. Vor allem im Juni sind die Feiertage unter der Woche ein Problem. Die Schulklassen bleiben aus. "Das liegt aber an den Lehrern."

Seit 27 Jahren betreibt Alois Rechberger das gutbürgerliche Seerestaurant in Weiden. Er will nicht jammern, aber: "Das Geschäft ist dramatisch zurück gegangen." Für ihn wäre es vor Jahren "unvorstellbar" gewesen, in der ersten Juliwoche auf Urlaub zu gehen. "Heuer war das möglich."

Erinnerung

Rechberger erinnert sich: "Wir haben früher um acht Uhr geöffnet. Die Leute sind gekommen, haben gefrühstückt, vorher noch mit einem Handtuch einen Platz auf der Wiese reserviert." Heute wird um neun Uhr aufgesperrt. "Ab und zu kommt ein Gast und ordert einen Kaffee." Handtücher werden nicht mehr aufgelegt. "Das ist nicht mehr notwendig." Der 56-jährige Gastronom hält nicht viel von den Nächtigungszahlen, die präsentiert werden. Die seien getürkt. "Es werden jetzt die Arbeiter und Schüler hineingenommen, die früher nicht gezählt wurden."

An einem lauschigen Abend fuhren Theresa Gsellmann und drei Freundinnen mit einem kleinen Elektro-Motorboot auf den Neusiedler See. 4,4 Kilowatt (kW) umgerechnet rund 6 PS hatte ihr Schiff. Ein gemütlicher Abend sollte es werden. Doch dann brauste ein anderes Schiff heran. Das Boot der Vier drohte zu kentern. Die Freundinnen waren patschnass. "Es wird immer ärger mit den E-Motorbooten", sagt die junge Frau. Nicht die Kleinen seien das Problem, sondern Modelle mit bis zu 60 Kw brausen über das Wasser.

Es wird kolportiert, dass selbst das Polizeiboot einem E-Boot nicht folgen konnte. Dass die Anzahl der Schiffe mit den leistungsstarken Motoren in den vergangenen Jahren zugenommen hat, ist aufgrund der vielen Beschwerden auch der Behörde aufgefallen. "Ja, wir wissen von dem Problem und es wird demnächst eine neue Verordnung geben", sagt Helmut Hedl von der Abteilung V der Burgenländischen Landesregierung. Derzeit sind 41 Lizenzen für den Neusiedler See vergeben, aber viel mehr Schiffe unterwegs. 86 gibt es übrigens für mit Diesel betriebene Boote plus Polizei und Wasserrettung. "Und dabei wird es auch bleiben."

Ob die Verordnung viel bringen wird, das wird man erst sehen. Es wird zu wenig kontrolliert. "Die Polizei fährt oft nur drei bis vier Mal in der Woche raus", sagt ein Beamter hinter vorgehaltener Hand.

Umweltprobleme

Die starken E-Motorboote sind auch für die Umwelt problematisch. Mittlerweile würden die E-Brummer genau soviel Schaden anrichten wie die andere Motorboote. "Sie wirbeln den Schlamm auf, fahren zu schnell am Ufer – dadurch leidet das Schilf –, das Gleichgewicht des Sees kommt zu schaden", sagt der See-Koordinator, Helmut Rojacz. Der See sollte das bleiben, was er ist: "Natur , Ausflugsziel, Seglerparadies ."