Noel Gallagher: Nie mehr Oasis mit Liam
Im August 2009 implodierte Oasis, die die 90er-Jahre prägende Brit-Pop-Band, nach einer Prügelei der Gallagher-Brüder in Paris. Songwriter Noel stieg aus, Sänger Liam schnappte sich den Rest der Band und machte unter dem Namen Beady Eye weiter. Seither herrscht Funkstille zwischen den beiden. Liam verklagte Noel vor Kurzem sogar wegen übler Nachrede. Im KURIER-Interview erzählt Noel, warum das eine Oasis-Reunion unmöglich macht.
KURIER: Warum haben Sie so lange gebraucht, um "High Flying Birds" zu veröffentlichen?
Noel Gallagher: Weil ich lange nicht wusste, was ich machen soll. Oasis war mein Leben und das hatte sich mit einem Schlag total verändert. Ich habe nicht gedacht, super, jetzt kann ich mit meinen Ideen endlich machen, was ich will. Ich habe gedacht, ich habe keine Band, drei Kinder, bin 43 und muss von vorne anfangen.
Haben Sie die impulsive Entscheidung, in Paris auszusteigen, bereut ?
Ja, für eine ganze Weile schon. Aber sobald ich im Studio war und mit "High Flying Birds" angefangen habe, habe ich nie wieder darüber nachgedacht.
Wie hat sich das Konzept des Albums, von einem Paar, das vorm Alltag davonlaufen will, entwickelt?
Um das klarzustellen: Das ist kein Konzept, das ich wochenlang ausgetüftelt habe. Das überlasse ich Pete Townshend. Aber meine Frau und ich sind immer wieder mal abgehauen, als wir noch keine Kinder hatten - raus aus der Stadt, verreisen. Ich habe zufällig ein paar Songs zu diesem Thema geschrieben. So ist das Album wie eine Reise, bei der man erforschen will, ob das Gras auf der anderen Seite nicht doch grüner ist.
Sie haben ein zweites Album mit dem Electronic-Duo Amorphous Androgynous gemacht . . .
Das erscheint irgendwann nächstes Jahr, ich weiß nicht, wann, und ich weiß nicht, wie es heißen wird. Es ist ein psychedelisches Pop-Album und verdammt großartig.
Ich wollte eigentlich fragen, wie es für Sie war, mit Musikern aus einem komplett anderen Genre zu arbeiten.
Gaz Cobain, derjenige der beiden, der mit mir sprach, hatte eine gesunde Missachtung für mein Songwriter-Genie. Ich spielte ihm Sachen vor. Er: "Das ist gut. Aber toll wird es, wenn afrikanische Trommler auf LSD dazu spielen." Es war trotzdem eine großartige Erfahrung - eine, die ich auf jeden Fall wiederholen will.
Sie starten nächsten Sonntag in Dublin Ihre Solo-Tour, mit der Sie 2012 nach Österreich kommen. Werden Sie Oasis-Songs spielen?
Ich denke schon. Aber im Moment jagt mir die Tour noch einen ziemlichen Schrecken ein. Denn ich bin kein Frontmann wie Liam und wollte nie einer sein. Ich kann mich nicht so zum Affen machen und herumhampeln wie Mick Jagger.
Stimmt es, dass Sie schon vor der letzten Oasis-Tour mit Liam über eine Auflösung der Band gesprochen haben ?
Liam hat gesagt, dass er nachher aussteigen wird. Aber das hatte er schon öfter. Und ich hatte den Plan, danach fünf Jahre Pause zu machen, denn ich war es so leid, mich mit Liam abzugeben. Aber auflösen wollte ich Oasis niemals, nein. Ich wünschte, Oasis wären noch zusammen.
Vor Kurzem habe ich mit Liam gesprochen und er hat genau dasselbe gesagt. . .
Aber er sagt Ihnen das, weil er nicht will, dass Sie denken, dass er ein Arschloch ist. Es ist nämlich seine Schuld, dass es Oasis nicht mehr gibt. Die Band ist zerbrochen, weil er gewalttätig ist und mich angegriffen hat.
Er sagte, dass die Spannungen schon vor der Tour angefangen haben, weil Sie für ein Inserat seiner Modelinie im Oasis-Tourprogramm Geld verlangt haben. Das ist doch schon auch provokant!
Was würden Sie sagen, wenn wir zusammen in einer Band wären und ich bestehe darauf, mein neuestes Haarshampoo bei den Konzerten zu verkaufen? Sie würden auch nicht mögen, dass Sie helfen, etwas zu promoten, von dem nur ich profitiere. Ich war fuchsteufelswild, dass Liam dachte, das geht gratis.
Es gibt Gerüchte, dass es 2015 zum 20-jährigen Jubiläum vom Oasis-Klassiker "(What's The Story) Morning Glory?" eine Reunion gibt.
Ich glaube, dass irgendwer einen Film macht. Und ich werde vielleicht ein Interview geben. Aber es wird keine neue Oasis-CD geben, dass kann ich Ihnen versichern.
Was müsste passieren, dass Sie wieder zusammenkommen?
Es müsste ohne Liam sein.
Gibt es keine Aussicht auf Versöhnung ?
Tja, ich mag es halt gar nicht, verklagt zu werden.
Zur Person: Vom Roadie zum Star
Karriere Noel Thomas David Gallagher wurde am 29. Mai 1967 in Manchester geboren. Mit 13 begann er, Gitarre zu spielen, nach der Schule jobbte er als Gitarren-Roadie der Inspiral Carpets. 1991 stieg er auf Bitte von Bruder Liam bei dessen Band Oasis ein.
Erfolge Schon mit dem Debütalbum "Definitely Maybe" von 1994 schafften Oasis den Durchbruch. Zu Legenden wurden sie 1995 mit den Welt-Hits "Wonderwall", "Don't Look Back In Anger" und "Champagne Supernova". Bis 2009 hat die Band 70 Millionen Platten verkauft.
Der Eklat
Paris, 28. August 2009: 40.000 Besucher des "Rock en Seine"-Festivals bei Paris warten auf den Auftritt von Oasis. Im Garderoben-Container explodieren derweil die Gemüter. "Liam kam rein, schimpfte über irgendwen", erinnert sich Noel. "Dann schmiss er eine Zwetschge nach mir, die an die Wand klatschte. Ich dachte, oh Gott, lass nicht eine verdammte Zwetschge das Ende dieser Band sein. Liam verschwand, kam kurz darauf wieder und ging mit einer Gitarre auf mich los. Die habe ich zertrümmert, denn Liam hätte mir damit das Gesicht aufschlitzen können. Und weil ich irisches Blut in mir habe, sagte ich 'Fuck you, ich hau ab!'"
Die finale Prügelei war der Showdown von Konflikten, die schon die ganze Tour lang schwelten. Es ging um Gratis-Inserate im Tourprogramm, es ging um eine eigene Garderobe, auf die Liam bestand. Aber vor allem um den abgesagten Auftritt beim V-Festival. Liam kam nicht - wegen einer Stimmbandentzündung, wie er sagt. Noel war aber überzeugt, dass der kleine Bruder nur zu besoffen war. Als er das jetzt bei den Interviews zum "High Flying Birds"-Album erzählte, wurde er von Liam verklagt. Mit dem Argument, dass er ein ärztliches Attest hat, wollte Liam übers Gericht eine öffentliche Entschuldigung erzwingen.
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