"Full Hit of Summer"-Festival mit Beirut
Mit der Vorfreude ist es so eine Sache: Je länger etwas hinausgezögert und somit umso sehnsüchtiger erwartet wird, desto größer kann schlussendlich die Enttäuschung sein. Andererseits gibt es auch jene Fälle, bei denen sich eine Art kollektive Verklärung einstellt, ein Schleier der Glückseligkeit sich vor die Augen und Ohren der Wartenden legt und alles überdeckt. So geschehen beim gestrigen zweiten Tag des "Full Hit of Summer"-Festivals in der Wiener Arena, als
Zach Condon mit seiner Band
Beirut dem Warten ein Ende setzte und sein Österreich-Debüt ablieferte.
Dass er auf offene Arme und Ohren stoßen würde, war von Anfang an klar: Denn schon zu früher Stunde, als die Formation Sweet Sweet Moon den Anheizer mimte, bot sich eine gut gefüllte Kulisse am Open-Air-Gelände. Matthias Freys Projekt wiederum erinnerte an Owen Pallett, gab es doch wie beim Kanadier einen Schulterschluss von Pop und Klassik, als mit Cello und Violine eine eigentümliche Klangwelt aufgetan oder die Geige kurzerhand zur E-Gitarre umfunktioniert wurde. Mitunter die Hörgänge strapazierend, aber in jedem Fall abwechslungsreich.
Rock`n`Roll
Danach standen gut zwei Stunden Rock`n`Roll auf dem Programm.
Kurt Vile, der mit seiner Band The Violators vor knapp einem Jahr im Chelsea noch Clubatmosphäre verbreitete, hob diesmal seinen psychedelischen Rock auf die große Bühne - und das ohne Übertragungsverlust. M. Ward wiederum, eigentlich auf den Namen Matthew hörend, verlor sich nicht in ausufernden Jams wie sein Kollege, sondern exerzierte eine Rhythm`n`Blues-Lehrstunde, nahm das Publikum mit auf einen "Helicopter"-Flug und fühlte sich auch dem Country nicht abgeneigt. Wo die im April erschienene Platte "A Wasteland Companion" etwas unschlüssig wirkt, stand live alles im Zeichen eines druckvollen "Rollercoaster".
Und um 21.30 Uhr war dann - trotz vielfältiger Beifallsbekundung für die Vorbands - klar, wer an diesem Abend den Ton angeben sollte. Unter großem Jubel betrat ein adrett gekleideter
Zach Condon mit seinen fünf Mitstreitern die Bühne und entsandte seine zwischen Klezmer und Balkan, Folk und World Music changierenden Miniaturepen in den Nachthimmel. Hier atmete man die Zügellosigkeit des Pop ebenso wie den Charme regionaler Mythen, begab sich der heute 26-Jährige doch vor Jahren auf ausgiebige Spurensuche durch Osteuropa, um seine musikalische Stimme zu finden.
Jubelstürme
Was er dort aufgesogen hat, findet nun seinen Ausdruck in melancholischen Songs, die die prall gefüllte Arena zur schunkelnden Masse werden ließen - wirklich getanzt wurde auch bei schnelleren Stücken nur ansatzweise. Und Condon beließ es dabei, beschränkte seine Kommunikationsversuche auf vereinzelte Dankesbekundungen und markierte das distanzierte Popwunderkind, dem der ganze Trubel unangenehm zu sein schien. Dafür hielt er die Zügel fest in der Hand und ließ seinen Begleitern nur selten Freiraum, den mit mittlerweile vier Alben vorgeschriebenen Weg zu verlassen. Vielmehr zeigte er sich als Purist des Blechklangs und ließ seine elektronischen Einflüsse außen vor.
Womit man beim kleinen Manko dieses großteils überzeugenden Auftritts angelangt wäre: Denn trotz eines großartigen Backkatalogs und einer Setlist, die mit Darbietungen von "
Santa Fe", "Elephant Gun" oder "Nantes" nur wenig Wünsche offenließ, trotz entrückter Geschichten über Vagabunden, Prostituierte und dem abschließenden "Gulag Orkestar", schien dies mehr Arbeit nach Drehbuch als der Versuch eines organisch fließenden Konzertes zu sein. Aber für Condon reichte es, die Lippen nur in Richtung seiner Trompete zu bewegen, um
Jubelstürme auszulösen. Nach viel zu kurzen 70 Minuten verließ der Balkan-Zirkus dann auch schon wieder die Stadt und hinterließ ein Publikum im Schwebezustand: Sehnsüchtig schwankend und hungernd nach mehr, aber doch glücklich.