Coldplay: Meisterwerk mit Helden & Grafitti
Wir sind U2", scherzte Chris Martin, als er seine Band bei der Pressekonferenz zur Veröffentlichung von "Mylo Xyloto" vorstellte. Tatsächlich hat das Quartett mit dem fünften Studioalbum erfolgsmäßig zum irischen Vorbild aufgeschlossen, hat mit dem melodischen, hymnischen Sound die Stadien der Welt erobert. Auch in Österreich: Über eine Coldplay Show im Wiener Ernst-Happel-Stadion im Sommer 2012 wird zurzeit verhandelt.
KURIER: Was bedeuten die Worte "Mylo Xyloto"?
Chris Martin: Wir wollten, dass das Album einen Titel hat, der nichts bedeutet, damit keinerlei Erwartungen daran geknüpft werden. Wir haben auch mit dem Art-Work eine eigene Welt geschaffen. Denn auf Tour sehen wir zwischen Flughafen und dem reichen Zentrum einer Stadt unglaublich viel Graffiti. Ein Feature dieser Szene ist, dass keiner seinen eignen Namen verwendet. "Mylo Xyloto" ist unser Graffiti-Name.
Den Song "Princess Of China" singen Sie mit Rihanna. Wie kam es dazu?
Wir sind große Fans, sie ist fantastisch. Deshalb haben wir, als sie das düstere "Rated R"-Album gemacht hat, diesen Song für sie geschrieben. Wir haben ihn aber auch als Band gerne gespielt und wollten ihn deshalb nicht hergeben. Also dachten wir, vielleicht mag sie ihn mit uns singen. Es ist die beste Gesangs-Performance, die es je auf einem Coldplay-Album gegeben hat.
Einer der Einflüsse für die Texte der neuen Songs war die "Weiße Rose"-Widerstandsbewegung im Nazi-Deutschland. Wie kam es dazu?
Ich habe viel über diese Bewegung gelesen, wie diese Gruppe
im Nazi-Deutschland Flugblätter gegen Hitler aufgelegt hat - eine Helden-tat, die uns sehr inspiriert hat. Aber nicht nur das: Jeder, der für seinen Glauben und seine Leidenschaft einstand, hat uns zu "Mylo Xyloto" inspiriert. Wir haben uns diesmal musikalisch viel mehr Freiheiten genommen. Deshalb war es nur natürlich, dass die Freiheit des persönlichen Ausdrucks zum Thema wurde.
Wie wurde daraus ein Konzept-Album?
Es ist eine Art Story über zwei Charaktere, die Liebe und Glück in einer unterdrückten, urbanen Gesellschaft finden. Wir haben in den letzten Jahren auf dieser Welt so viele schlimme Dinge gesehen - Rezession, Überflutungen, Erdbeben. Vielleicht nehmen wir sie mehr wahr, weil wir älter sind und Kinder haben. Oder auch, weil es mehr Medien gibt. Aber jedenfalls ist soviel Schlimmes passiert, dass wir dachten, wir müssen das Album vor einem Hintergrund von all dem Schmerz spielen lassen. Gleichzeitig wollten wir aber auch eine freudvolle CD machen. So haben wir diese beiden Charaktere geschaffen, die einander, die Liebe und all das Positive finden, das es auch noch gibt.
Sie haben sich kritisch geäußert, als Sie vor einigen Wochen vom Q-Magazine den Titel "Best Act In The World Today" bekommen haben ...
Ja. Denn was soll das heißen? Dass wir an dem Tag, an dem wir den Titel bekommen haben, populär sind, das aber den Rest der Woche nicht mehr anhält? Außerdem muss man bei so einem Titel alle Acts, die es je gegeben hat, einbeziehen. Aber da gibt es die Beatles, U2, die Stones, The Who. Und das sind nur die Rockbands, da kommen noch Leute wie Stevie Wonder, Bob Marley und Michael Jackson dazu. Und ich könnte die Liste ewig fortsetzen. Da sind wir niemals an der Spitze.
Zur Band: Strenge Regeln, gute Freunde
Besetzung: Bassist Guy Berryman, Gitarrist Jonny Buckland, Sänger Chris Martin und Drummer Will Champion (Bild oben anno 2000: v. li.) lernten einander am University College in London kennen. 1996 gründeten sie die Band, benannten sie nach Philip Horkys Gedichtband "Child's Reflections, Cold Play".
Karriere: 1999 unterschrieben Coldplay ihren Plattenvertrag. Kurz danach warf Martin für ein paar Wochen Will Champion aus der Band, holte ihn aber wieder zurück. Danach stellten die Vier folgende Regeln auf: Die Einnahmen werden geteilt. Wer Drogen nimmt, fliegt raus. "Andere Bands starten als Kumpel und zerstreiten sich, wenn sie erfolgreich sind", erklärte Guy Berryman. "Wir haben alle
unsere Ego-Probleme gleich zu Beginn abgearbeitet. Jetzt sind wir die besten Freunde."
Erfolge: Gleich mit dem ersten Album "Parachutes" schafften Coldplay den Durchbruch. Die größten Hits sind "Clocks", "Fix You", "Yellow" und "The Scientist". Das Meisterwerk "X&Y" von 2005 wurde in England mit 8-fach-Platin ausgezeichnet. Insgesamt hat die Band über 50 Millionen Platten verkauft.
Privat: Kein Familien-Duett im "The Bakery"-Studio
Seit 2000, als sie im Film "Duets" eine Hauptrolle übernahm, bewies Chris Martins Gattin Gwyneth Paltrow immer wieder, dass auch sie singen kann. Ein Duett des seit 2003 verheirateten Paares wird es trotzdem nicht geben. Um seine Privatsphäre und die Kinder Apple (7) und Moses (5) zu schützen, weigert sich Martin beharrlich, mit der Familie in der Öffentlichkeit aufzutreten.
Tolle Probemöglichkeiten hätten die beiden: 2007 haben Coldplay in der Nähe von Martins Londoner Residenz im Nobelviertel Primrose Hill eine alte Bäckerei zum Tonstudio "The Bakery" umgebaut. 2010 kam zu diesem Hauptquartier die gegenübergelegene Probe-Halle "The Beehive" dazu. Dort können sie neue Songs, die sie im Studio entwickelt haben, "auf ihre Live -Tauglichkeit testen".