Die Geschichte der Abfallwirtschaft in Österreich
Die Geschichte der Abfallwirtschaft in Österreich ist eng mit dem wirtschaftlichen Aufschwung der Nachkriegszeit verbunden. Der Anstieg des Ressourcenverbrauchs führte in den 1950er-Jahren zur Einführung erster Müllgesetze, wie dem Vorarlberger Müllgesetz (1954). Dennoch blieb die Abfallentsorgung aufgrund fehlender Vorschriften und Gesetze bis in die 1970er-Jahre weitgehend unorganisiert. Die Entsorgung erfolgte im Wesentlichen durch unorganisierte Deponierung, in vielen Fällen geschah diese noch dazu illegal. Wien war die erste Stadt mit Müllbehandlungsanlagen und einer Müllverwertungsanlage. Noch in den 1960er-Jahren gab es zwei Bundesländer ohne gesetzliche Regelung der Müllabfuhr.
Umweltministerium
In den 1970ern kam es vor allem im Umweltbereich sowohl auf Bundes-, Landes-, als auch auf Gemeindeebene zu erheblichen Umwälzungen. Mit dem Inkrafttreten des Bundesgesetzes vom 21. Jänner 1971, BGBl. Nr. 25, über die Errichtung eines Bundesministeriums für Gesundheit und Umweltschutz wurde erstmalig das damals im Sprachgebrauch schon geläufige Wort Umweltschutz in die österreichische Rechtsordnung aufgenommen. Die Abfallgesetzgebungen der Bundesländer wiesen eine bunte Vielfalt auf, die sich nicht nur in den Bezeichnungen als wahlweise Müll- oder Abfallgesetze manifestierten, sondern auch in den Definitionen und Verwendungen der Begriffe Müll und Abfall. Rückblickend kann man die 70er Jahre als jenes Jahrzehnt sehen, in dem vorerst um den Abfallbegriff gerungen wurde, nachdem man von der reinen Müllabfuhr der 50er- und 60er-Jahre abgekommen war. Ende der 1970er war die Situation im abfallwirtschaftlichen Bereich in Österreich noch weit davon entfernt auf einen einheitlichen Standard zumindest in den Grundsätzen und den Formulierungen zu kommen. Als einziges Bundesland verfügte das Burgenland noch immer über kein Müllgesetz, legte aber 1980 das erste vor.
Langsame Entwicklung
Die 1980er-Jahre brachten einen weiteren Wandel in der Umweltgesetzgebung, der zum einen auf den negativen Auswirkungen mangelhafter Landesgesetze resultierte, zum anderen auf der immer deutlicher werdenden Unzulänglichkeit der gesplitteten Kompetenzen im Abfallrecht. Die Entwicklung der bundesweiten Abfallwirtschaft in Österreich ging langsam, aber stetig vor sich.
Gründung der ARA
Ein bedeutender Wendepunkt kam 1993 mit der Gründung der Altstoff Recycling Austria AG (ARA), die als Reaktion auf die neue Verpackungsverordnung geschaffen wurde. Mit der Einführung von Sammelsystemen für Verpackungsabfälle und der Produzentenverantwortung etablierte die ARA neue Standards im Recycling und der Kreislaufwirtschaft. Die ARA serviciert heute mehr als 15.000 Kunden. Sie steht im Eigentum heimischer Unternehmen und agiert als Non-Profit Unternehmen nicht gewinnorientiert. „Die Kreislaufwirtschaft ist entscheidend für Österreichs Rohstoffsicherheit und den Klimaschutz. Durch die Schließung von Kreisläufen und die Nutzung von Sekundärrohstoffen reduzieren wir die Abhängigkeit von fossilen Rohstoffen und Energie“, betont Harald Hauke, Vorstandssprecher der ARA.
Die ARA hat sich seit ihrer Gründung zum internationalen Vorbild entwickelt. Während in den 1990er-Jahren noch Altlastensanierungen und Deponien im Fokus standen, rückten in den 2000ern moderne Recyclingtechnologien und Nachhaltigkeit in den Vordergrund. Der Ausbau von Sammelstrukturen führte dazu, dass heute 90 % der Österreicher die Abfalltrennung als „gut“ oder „sehr gut“ bewerten. Wien und andere Städte bauten Recyclinganlagen, und Österreich setzte sich an die Spitze der europäischen Länder in Sachen Recyclingquoten.
100.000 Tonnen jährlich
Ein aktuelles Beispiel für den technologischen Fortschritt ist die Errichtung Europas modernster Sortieranlage für Leichtverpackungen in Oberösterreich im Jahr 2022. Mit einer Kapazität von 100.000 Tonnen jährlich ist sie Teil eines umfassenden Maßnahmenpakets, um die EU-Recyclingziele für 2030 zu erreichen.
Die Zukunft der Abfallwirtschaft in Österreich liegt in der Digitalisierung und der Kreislaufwirtschaft. „Investitionen in diese Bereiche sind nicht nur ein Beitrag zum Klimaschutz, sondern auch ein wichtiger wirtschaftlicher Faktor. Die Kreislaufwirtschaft könnte bis 2030 eine Wertschöpfung von 35 Milliarden Euro generieren“, sagt Hauke. Mit Projekten wie der App Digi-Cycle, die Konsumenten beim richtigen Recycling unterstützt, und den steigenden Investitionen in Recyclinginfrastrukturen ist Österreich auf einem vielversprechenden Weg.
Im Rückblick zeigt sich, dass die österreichische Abfallwirtschaft in den vergangenen 70 Jahren einen beispiellosen Wandel durchlaufen haben – von einem weitgehend unregulierten Bereich hin zu einem der effizientesten Recycling- und Kreislaufwirtschaftssysteme in Europa. Die Verbindung von ökologischen Zielen und ökonomischen Erfolgen zeichnet die österreichische Kreislaufwirtschaft aus und positioniert das Land weiterhin als Vorreiter im Bereich Umweltschutz und Nachhaltigkeit.